Geplatzte Träume
In Woody Allens neuster Tragikomödie «Blue Jasmine» brilliert Cate Blanchett in der Rolle der High-Society-Lady am Rande des Nervenzusammenbruchs.
Inhalt
Kulturtipp 24/2013
Babina Cathomen
Im Jahresturnus kommen die Filme des New Yorker Regisseurs und Neurosen-Spezialisten Woody Allen in die Kinos. Nach filmischen Ausflügen in Europa kehrt er mit seinem neusten Werk in die USA zurück. Hier stolpert die High-Society-Lady Jasmine (Cate Blanchett) mit ihren teuren Stöckelschuhen in Abgründe: Nachdem ihr Ehemann Hal (Alec Baldwin) wegen krummer Finanzgeschäfte verurteilt worden war, muss sie ihr luxuriöses Leben in Manhattan aufgeben und zu ihrer ...
Im Jahresturnus kommen die Filme des New Yorker Regisseurs und Neurosen-Spezialisten Woody Allen in die Kinos. Nach filmischen Ausflügen in Europa kehrt er mit seinem neusten Werk in die USA zurück. Hier stolpert die High-Society-Lady Jasmine (Cate Blanchett) mit ihren teuren Stöckelschuhen in Abgründe: Nachdem ihr Ehemann Hal (Alec Baldwin) wegen krummer Finanzgeschäfte verurteilt worden war, muss sie ihr luxuriöses Leben in Manhattan aufgeben und zu ihrer gegensätzlichen Schwester Ginger (Sally Hawkins) nach San Francisco ziehen. Der Kulturschock ist vorprogrammiert, als Jasmine mit ihrer Louis-Vuitton-Tasche in einem vergammelten Stadtteil von San Francisco eintrifft. Von ihrem Lebensstil mag sie sich, obwohl sie pleite ist, nicht verabschieden: «Ich prasse aus Gewohnheit, das weisst du doch», sagt sie nach dem First-Class-Flug zu ihrer Schwester.
Den Schein wahren
Jasmine ist eine Meisterin der Verdrängung. Das zeigt sich in Rückblenden in glamourösere Zeiten, als sie vor den Affären und unredlichen Finanzgeschäften ihres Mannes die Augen verschlossen hatte – solange das Geld für Diamantencolliers und Dinnerpartys reichte. Den Schein versucht sie auch im neuen Leben in San Francisco zu wahren. Ihrer bodenständigen Schwester wirft sie vor, dass diese sich immer nur auf Loser einlasse. Deren Verkupplungsversuche mit hemdsärmeligen Handwerkern weist Jasmine naserümpfend ab. «Ich will etwas Angesehenes werden», sagt sie, stöckelt aber orientierungslos, mit Medikamenten und Alkohol vollgepumpt durchs Leben und macht einen zunehmend geistig verwirrten Eindruck. Als sie tatsächlich auf einen Mann ihres Beuteschemas trifft – ein angesehener Diplomat, der eine elegante Prestigefrau zum Vorzeigen sucht – kann auch das nicht gut gehen. Denn die Beziehung ist von Anfang an auf Lügen gebaut.
Woody Allen beschäftigt sich in seinem Film einmal mehr mit Menschen an Wendepunkten, die ihre Lebensentwürfe neu überdenken müssen. Mit «Blue Jasmine» kehrt er nach ein paar (allzu) leichtfüssigen Komödien zur tiefgründigen Tragikomödie zurück. Cate Blanchett spielt den Wandel der souveränen, verwöhnten Financiersgattin zum verunsicherten Wrack am Rande des Nervenzusammenbruchs grandios. Und Sally Hawkins, die im Film «Happy-Go-Lucky» als unbeschwerte Tagträumerin auffiel, überzeugt auch in diesem Film durch ihre Natürlichkeit. Die männlichen Darsteller fallen neben den beiden starken Schauspielerinnen etwas blass aus.
Tiefer Fall
In «Blue Jasmine» zeigt der 77-jährige Altmeister Woody Allen den tiefen Fall einer Frau, die sich durch die Aussenwahrnehmung und Luxusgüter definiert hat und zwischen Sein und Schein nicht mehr unterscheiden kann. Selbst den eigenen Namen hat sie nach einem Jazz-Song von Jeanette zu Jasmine aufgepeppt. In der Abwärtsspirale verliert sie schliesslich nicht nur ihren Namen, sondern auch sich selbst.
Blue Jasmine
Regie: Woody Allen
Ab Do, 21.11., im Kino