Skurrile Figuren sind ein Markenzeichen des US-Amerikaners Vonnegut (1922–2007): In einer Kurzgeschichte berichtet er etwa von George, der mit einem sprechenden Kühlschrank namens Jenny in einer Art Paarbeziehung lebt. Das Technikgenie hat den Kühlschrank nach dem Abbild seiner Ex-Frau gestaltet und mit einer komplizierten Konstruktion ausgestattet: Durch Knöpfe und Schalter kann er Jennys Hirn, ihre Bewegungen und Sprache, selbst bedienen. «Ich habe kein einziges Mal etwas gesagt, was er nicht hören wollte», sagt Jenny. Und so erstaunt es auch nicht, dass sich George lieber mit einer Maschine, als mit einer echten Frau abgibt. Denn diese könnte ihm ja Kontra geben.
Vonnegut erzählt von tragikomischen Figuren, von einsamen Menschen, die ihr Leben nicht so auskosten, wie sie es ­eigentlich wollten: Die Witwe, die sich aus Liebesmangel in die Briefe eines einäugigen Gnoms verliebt – in ihrer Vorstellung ist er natürlich der grosse, breitschultrige Traummann mit lockigem Haar. Oder die Sekretärin, die sich in ihrem öden Job so langweilt, dass sie sich ein Leben an der Seite eines flüchtigen Bankräubers ausmalt. Vonnegut hat ein Gespür für menschliche Schwächen. Pointiert und mit Humor berichtet er vom American Way of Life – allerdings nicht, ohne die Moral zum Schluss auszulassen.
Im Erzählband «Hundert-Dollar-Küsse» sind erstmals 16 von Vonneguts frühen Texten auf Deutsch erschienen – originell übersetzt von Harry Rowohlt. Vonnegut hat sie am Anfang seiner Karriere geschrieben: In den 50ern hat er seine Kurz-Prosa an Zeitschriften verkauft, um den Lebensunterhalt für seine Familie zu sichern. Die Sorgen der kleinen Leute kennt er aus eigener Erfahrung.

[Buch]
Kurt Vonnegut
«Hundert-Dollar-Küsse»
Aus dem Englischen von
Harry Rowohlt
272 Seiten
(Kein&Aber 2012).
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