Christliche Kreuzritter staksen als Marionetten über die Leinwand. Ihre groteske Kleidung ist schwarz und weiss, ihre Gesichter sind gläserne Fratzen. Plötzlich schwenkt die Kamera weg von den Eroberern auf rot getränkte Lumpen. «Die Franken haben den Waffenstillstand nicht eingehalten», konstatiert ein Sultan später. Er sinnt mit seinen Beratern auf Rache. Das ist eine Szene aus dem Film «Cabaret Crusades: The Secrets of Karbala» des ägyptischen Künstlers Wael Shawky, der im Kunsthaus Bregenz zu sehen ist. Er rekapituliert die Kreuzzüge vor 1000 Jahren aus arabischer Perspektive mit märchenhafter Ästhetik. Dabei stützt er sich auf die Berichte des libanesischen Historikers und Schriftstellers Amin Maalouf, der mit seinem Buch «Der Heilige Krieg der Barbaren» die Kreuzzüge als arabisches Drama erkannte – nicht propagandistisch, sondern künstlerisch verfremdet.
Zynische Grausamkeit
Er verpackt die europäische Expansion in groteske Albträume von europäischen Schlächtern, die über arabische Monster herfallen. Alle sind Täter und Opfer zugleich – intrigant und verlogen, aber auch hilflos und menschlich. Schauplätze sind die Schreckensorte von heute: Bagdad, Damaskus, Aleppo oder Mossul. Und immer wieder Jerusalem, die für viele Heilige Stadt scheint eine geradezu magische Anziehung auf religiöse Gewaltherrscher zu haben. Oder in den Worten eines Kreuzfahrers: «Wir können den Ort, wo Jesus Christus verstorben ist, nicht verlassen.» Religiöse Spiritualität als Vorwand für skrupellose Eroberungspolitik. Oder zynische Grausamkeit: An einer andern Stelle zwingen Kreuzritter muslimische Frauen, um ihr Leben zu rennen. Die Siegerin wird mit einem Schwein belohnt.
Der aus Alexandria stammende 46-jährige Wael Shawky hat mit seinen «Crusades» seit ein paar Jahren grossen Erfolg. Er studierte Kunst in Pennsylvania, war an der Documenta in Kassel sowie der Biennale von Venedig präsent. Seine «Crusades» konnte er auch im New Yorker Museum of Modern Art oder in den Londoner Serpentine Galleries zeigen. Dazu mag der offenkundige Bezug zur politischen Aktualität beigetragen haben. Aber nicht nur: Dieses verfilmte Marionetten-Theater ist professionell und künstlerisch stringent. Es knüpft an die mittelalterliche Tradition des Genres an, als Marionetten noch keine Kasperlifiguren waren wie oftmals heute. Sie dienten vielmehr dazu, dem leseunkundigen Publikum Geschichten näherzubringen. Der «Guardian» erkannte: «Diese Puppen sind wunderbar vielfältig mit leisen Anspielungen an wirkliche Personen wie den Palästinenser Jassir Arafat oder den ermordeten ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat.» Diese Bezüge sind allerdings für den Betrachter schwer zu entdecken, denn Shawky erzählt die Geschichten schnell und auf Arabisch, unterlegt mit einer verstörenden Musik. Wer mit dem arabischen Mittelalter nicht vertraut ist, verliert trotz der englischen Untertitel auch mal den Faden, bis eine Sequenz wieder einen neuen Einstieg in den Handlungsstrang bietet. Die Videos dauern eine, beziehungsweise zwei Stunden.
Kriegerische Mission
Der französische Papst Urban II. rief 1095 an der Synode von Clermont-Ferrand zur Eroberung von Jerusalem auf. Aus seiner Sicht ein geschickter Schachzug, um die zerstrittene katholische Kirche im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind, die Muslime, zu stärken: «Wer soll nun also diese Schandtaten rächen und dieses Land befreien, wenn nicht ihr? Ihr, denen Gott vor allen anderen Nationen so ruhmreiche Waffen, so grossen Mut und so viel Kraft gegeben hat, um jenen Häuptern Ehrfurcht zu lehren, die es wagen, Euch zu widerstehen.» Mit diesen Worten wandte sich der heuer selig gesprochen Urban II. vor der ersten Kreuzfahrt an seine französischen Ritter, die im Namen einer höheren Macht den Nahen Osten mit Schrecken überziehen sollten. Die Muslime kannten ihre Antwort, etwa in den Worten des «Kadi» von Damaskus: «Unser Blut vermischt sich mit unseren Tränen, und es gibt keinen Platz für Mitleid. Vergossene Tränen sind eines Mannes schwächste Waffe, wenn die Schwerter den Funken des Krieges entfachen.»
Zwei weitere Expansionszüge sollten folgen, bis die kriegerische Mission Ende des 13. Jahrhunderts ein Ende fand. Wael Shawky hat einen künstlerischen Ansatz gefunden, um die berührenden Geschehnisse neu nachzuzeichnen.
Cabaret Crusades: The Secrets of Karbala
Bis So, 23.10. Kunsthaus Bregenz (AT)