Kunstort Trubschachen. Im Schulhaus Dorf ist beim Besuch noch wenig von Kunst zu sehen. Im Treppenhaus hängen ein paar gerahmte Mosaike, eines mit einer Geiss, ein anderes mit Ross. Sie gehen gerade noch als gut gemeinte Handarbeiten durch. «Bald wird man dieses Gebäude nicht wiedererkennen», sagt Oscar A. Kambly. Die beiden Schulhäuser von Trubschachen sind diesen Sommer drei Wochen lang Kunstmuseen.
Kambly ist als Präsident des lokalen Kunstvereins massgeblich für die neue Schau mit mehr als 100 Werken verantwortlich, allesamt Leihgaben. «Schweizer Kunst von Segantini und Amiet bis heute» lautet der Titel. Just mit Amiet hat die Kunstsaga von Trubschachen begonnen. Der Berner Künstler arbeitete in den Fünfzigern mit der lokalen Schule zusammen, um den Kindern Kunst näherzubringen. Daraus entwickelte sich 1964 eine erste Kunstausstellung, die seither regelmässig stattfindet: Bedeutende Kunst in einer Gegend, die dem auswärtigen Besucher als etwas entlegene Musterschweiz erscheint.
Die Schau ist eine Art Volksfest, um die 400 Leute aus der Region helfen bei der Organisation unentgeltlich mit. Und man erwartet zwischen 25 000 und 30 000 Besucher. Pfarrer Burghard Fischer, Lehrer Ruedi Trauffer und der Betriebspsychologe Christian Ganser kuratieren die Ausstellung. Besonders der Lebensweg von Burghard Fischer ist aussergewöhnlich. Er war zuerst katholischer Priester, bevor er sich dem Protestantismus zuwandte. Während seiner katholischen Zeit arbeitete er im vatikanischen Museum von Rom als Kurator mit. Ein Leistungsausweis der besonderen Art, auch wenn die von ihm im Vatikan betreute Kunst wohl mit den Werken in Trubschachen schwer vergleichbar ist.
Amiet zieht immer
Die Ausstellung ehrt Cuno Amiet mit 32 Bildern, darunter die «Apfelernte» aus dem Jahr 1907 (grosses Bild). Er lebte damals abgelegen bei Herzogenbuchsee mit seiner Frau und Pflegekindern; Amiet war im Jahr zuvor Mitglied der expressionistischen Künstlervereinigung «Die Brücke» geworden, jener fortschrittlichen deutschen Gruppierung mit Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde.
Amiet ist ein Publikumsmagnet, der immer zieht. Der Thurgauer Hans Brühlmann (1878–1911) dagegen ist eher unbekannt, auch wenn er in den letzten Jahren neue Beachtung gefunden hat. 14 Bilder dieses Künstlers sind zu sehen. Brühlmann wuchs in einem pietistischen Haushalt auf, der Vater war Pfarrer. Nach der Matur besuchte er die Zürcher Kunstgewerbeschule und die Akademie in Stuttgart. 1909 litt er unter den Beschwerden einer Syphilis, die er sich Jahre zuvor zugezogen hatte. Der Krankheitsverlauf war so schlimm, dass Hans Brühlmann sich zwei Jahre später erschoss – im Alter von 33 Jahren.
Immerhin fand er in seinem kurzen Leben Anerkennung als Künstler. 1906 gewann Hans Brühlmann das Stipendium der Eidgenössischen Kunstkommission, womit er sich einen lang ersehnten Traum verwirklichen konnte: Er reiste nach Florenz, Rom und Assisi, wo er sich mit der Freskenmalerei beschäftigte. Zwei Jahre später besichtigte er Paris und lernte die Arbeiten von Paul Cézanne kennen, die ihn mitprägten.
Die Trubschacher Schau will einen Bogen schlagen zwischen der Schweizer Kunst der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum zeitgenössischen Schaffen: So sind Werke des Winterthurers Bendicht Fivian zu sehen. Und die 31-jährige Bernerin Julia Steiner ist mit fünf Bildern vertreten, die dem Publikum zum Verkauf angeboten sind.
Oscar A. Kambly will mit dieser Ausstellung «Kunst mitten ins Leben der Menschen bringen». Er möchte die Hemmschwelle aufheben, ein Museum zu betreten, schliesslich hat jeder schon einmal ein Schulhaus besucht. Für Kambly ist auch der Dorfevent Motivation: Die Trubschacher Bürger entwickeln eine Art kulturelles Zusammengehörigkeitsgefühl. Und das nicht nur während der Ausstellung. Denn die Vorbereitungen für die Schau dauern schon mehr als drei Jahre; die Bevölkerung ist von Anfang an dabei. An einer Art Kunst-Gemeindeversammlung können die Bürger jeweils über das Konzept der nächsten Ausstellung reden. Und die Trubschacher sind eingeladen, die ausgewählten zeitgenössischen Künstler in ihrem Atelier zu besuchen und an Vortragsabenden über ihre Eindrücke zu sprechen.
Nach drei Wochen Kunstspuk wird wieder der Alltag Einzug halten. Bis dann kann der Besucher aber dem Charme dieser Veranstaltung erliegen und spüren, wie Kunstbetrachtung mehr als Schule sein kann.
19. Kunstausstellung Trubschachen
«Schweizer Kunst von Segantini und Amiet bis heute»
Sa, 29.6.–So, 21.7.
Trubschachen BE