Das ruhmreiche Leben von Daniel Hope besteht vor allem aus Üben: Was man fast nicht glauben mag, denn er gibt mehr als 100 klassische Konzerte pro Jahr. Er musizierte schon mit Liedermacher Reinhard Mey und der Rockband The Police, hat drei Bücher geschrieben und mehr als 20 CDs eingespielt. Er tritt auch mal geigend im Deutschen Bundestag auf oder als Talkgast im Fernsehen. Da der 36-Jährige pausenlos in der Welt herumreist, sind Hotelzimmer seine Heimat. Und weil er nicht immer mit Klassikfreunden im Nebenzimmer rechnen kann, verzieht er sich fürs Üben ins Badezimmer.
Der Leidenschaftliche
Wir treffen ihn in der nach Finanzwelt riechenden Lobby des Zürcher Nobelhotels Hyatt. In legerer Kleidung gibt Hope einen optischen Kontrapunkt zu den Nadelstreifen gewandeten Geschäftsleuten rundum. Einen Moment noch bittet er um Geduld, mit seinem Manager muss er zwei Termine ordnen.
Terminsorgen scheinen sein einziges Problem zu sein. Er zeigt auf einen Ordner und lacht: «Mein Leben ist auf drei Jahre hinaus geplant!» Einst kam eine weitere Sorge hinzu: Man schaute mit Skepsis auf seine Universalität. «Wenn einer ausserhalb des bekannten Bildes tanzt, fragen sich viele: Warum macht er das?», erinnert er sich.
Hope weiss heute, warum er sich das alles antut. Die Sucht nach Musik treibt ihn an: «Ich bin ein leidenschaftlich ehrlicher Musiker. Ich tue es, weil ich die klassische Musik liebe. Eine Welt ohne Klassik wäre tödlich für mich.»
Alles nur Show?
Damit die anderen Menschen ebenso fühlen wie er, spielt Hope Barockes wie Modernes. Und dazwischen naturgemäss sein bekanntes hoch romantisches Repertoire. Dann zaubert er jeweils mit einem Prachtton Max Bruchs Violinkonzert in den Saal, als müsste er alle schlafenden Geigen-Dinosaurier wecken. Prächtig, dass ein Geiger so persönlich, so eigen, ja eigensinnig aufspielt.
Hope steht zu seiner Liebe, den grossen Geigern; Yehudi Menuhin war sein künstlerischer Grossvater. Auf der aktuellen CD ehrt er Legende Joseph Joachim; Pinkas Zuckermanns Kunst begeisterte ihn schon mit fünf. Diese Geiger waren allesamt Magier, und sie wussten, was es für eine Show braucht. Hope glaubt nicht, dass der heutige Hang zum Perfektionismus schuld daran ist, dass diese Elemente verschwunden sind. «Ich sehe viele junge Geiger, die nur auf die Show aus sind: Wer kann sich am besten bewegen oder wer kann die Haare am besten nach hinten werfen?» Es sind allseits bekannte äusserliche Merkmale. Viel tragischer sei es, wenn er bei einem Meisterkurs feststelle, wie wenig sich junge Musiker für die Vergangenheit interessierten. Sprachlos wird er dann, wenn einer behautptet, so genial sei der litauische Ausnahmekönner Jascha Heifetz auch nicht gewesen.
Hope billigt zu, dass man Mozart heute anders spielen kann, allerdings nur, wenn man wisse, wie einst gespielt wurde. «Legenden wie Oistrach, Kreisler, Milstein, Thibaud waren überaus individuelle Künstler, die einen anderen Ausdruck suchten. Heute hingegen spielt man so schnell und so laut und so perfekt wie möglich.» In der Jury des Reine-Elisabeth-Wettbewerbes in Brüssel sitzend, hörte er 24 Top-Talente. «Technik, Geschwindigkeit, Lautstärke – verblüffend! Aber die wenigsten dieser Interpretationen berührten mich.»
Er lächelt über die Behauptung, die aktuelle Flut an Geigerinnen sei schuld daran, dass der Geigen-Magier aussterbe. «Ob es das Weibliche ist, weiss ich nicht, aber sicher ist es das Jugendliche, obgleich sie fulminante Geigerinnen sind. Doch durch den Jugendwahn geht viel verloren.» Hört er, dass eine junge Kollegin kaum Zeit für die Kammermusik findet, da sie von Solistenkonzert zu Solistenkonzert eilt, schüttelt er den Kopf: «Entsetzlich. Man hat immer Zeit für Kammermusik! Keiner muss eine Tournee mit 50 Konzerten machen, aber jeder kann sich abends mit Freunden hinsetzen und ein Streichquartett spielen.» Er selbst spielte sechs Jahre im Beaux Arts Trio: «Das Kammermusikwissen braucht man, um mit den grossen Orchestern zu harmonieren.»
Wie als Beweis setzt sich Hope in Verbier an drei Konzerten mit immer neuen Kollegen aufs Podium – mit Yuri Bashmet, Mischa Maisky oder Renaud Capuçon notabene.
Wie viel geht noch?
Sein Aktivismus ist enorm, bezeichnenderweise gefällt ihm die Frage: «Wie viel geht noch?» «Lass mal gucken, was ich hier finde!», sagt sich der Hobby-Historiker immer wieder. Nach der CD-Hommage an Joseph Joachim widmete er sich Musik der 1930er-Jahre. «Diese Zeit ist faszinierend und erschreckend.» In Verbier wird man davon hören – im Programm «Theresienstadt» mit Musik von Komponisten, die im deutschen Konzentrationslager starben.
[CD]
The romantic violinist Hommage an Joachim
(DG 2011).
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[CD]
Air: A baroque Journey (DG 2009).
Vivaldi: (DG 2008).
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