Ätherische Chorpassagen und Mittelalter-Anklänge in leeren Streichquartett-Quinten, vokale Solo-Sopran­linien à la mode de Debussy, neoklassizistische Rhythmik und rauschende Harfenglissandi: «Le Miroir de Jésus» des 1878 geborenen Komponisten André Caplet lässt in den 15 Stationen des Rosenkranz-Zyklus nichts an Farben und Emotionen aus. Dieses absolut erstaunliche Werk entstand 1923 und ist der Schwanengesang des Franzosen, der 1925 an ­einem im Weltkrieg erlittenen Lungenschaden starb. Seine Musiksprache vereint die verschiedensten Einflüsse, ohne den liturgisch-meditativen Charakter seines Marien-Mysteriums zu verraten. Die sorgfältige Interpretation durch die Mezzosopranistin Marie-Claude Chappuis, Quatuor sine nomine und das Ensemble vocal de Lausanne unter Jean-Claude Fasel nimmt diese Vielfalt mit ebenso grossem Reichtum an Gestaltungsmitteln und Klangfarben auf.

André Caplet
Le Miroir de Jésus
(Mirare 2013)