Sie hätte ein wohlbehütetes Leben in den Bridge-­Salons führen können: Denn Gertrud Bell (1868–­1926) wuchs in einer begüterten Familie in Nordengland auf. Sie wollte jedoch nichts von den viktorianischen Konventionen wissen und studierte Geschichte in Oxford. Früh reiste sie in den Nahen Osten, zu einer Zeit, als sich kaum westliche Besucher in diesen Teil der Welt wagten. Mit gutem Grund, denn die den Traditionen verpflichteten Volksgruppen widersetzten sich europäischer Einflussnahme. Dies belegt die sehenswerte Dokumentation «Von Britannien nach Bagdad», die der Kultursender Arte ausstrahlt.

Mit ihrer langjährigen Erfahrung war Gertrud Bell in den 1920er-Jahren britische Orientsekretärin. Im Dienst des britischen Geheimdienstes war sie massgeblich in den arabischen Aufstand gegen das mit dem Königreich verfeindete Osmanische Reich verwickelt. Später hatte sie ihre Hand bei der Bildung der ersten irakischen Regierung im Spiel. Sie soll damals auf ­einen möglichst grossen Einfluss der Sunniten gedrängt haben, obgleich die Schiiten die Mehrheit im künftigen Staat bildeten. Die damalige Regelung wird sogar von einem Teil der heutigen Geschichtsschreibung für eine der Ursachen des gegenwärtigen Kriegs gehalten. 

Frau mit Ecken und Kanten
Wie gross Bells Einfluss tatsächlich war, lässt sich indes heute kaum mehr zwingend belegen – zu viel Abenteuerromantik umrankt ihr Leben. Sicher ist jedoch, dass die eigenwillige Bell stets aneckte, wo sie nur konnte, und in London, Kairo und Bagdad gleichermassen gefürchtet wie unbeliebt war.

In ihren späten Lebensjahren litt sie unter Depressionen und nahm sich im Sommer 1926 in Bagdad das Leben.

Von Britannien nach Bagdad
Regie: Zeva Oelbaum
87 Minuten
Di, 22.8., 20.15 Arte