Eine Gruppe von 50 Menschen mit Kopfhörern beobachtet stumm eine Alltagsszene – scheinbar grundlos: Solch kuriose Situationen entstehen während der Audio-Tour «Remote Zürich» am Zürcher Theaterspektakel. «Die Passanten werden zu Schauspielern, ohne es zu merken», beschreibt der Regisseur Stefan Kaegi von der freien Theatergruppe Rimini Protokoll diese Momente.

Nähe trotz Distanz

Der englische Begriff «remote» («abgelegen») steht für elektronische Fernbedienung, er bezeichnet aber auch eine Distanz zur Alltagsumgebung. Beides erleben die Zuschauer während der Produktion «Remote Zürich» am Zürcher Theaterspektakel. Auf einem interaktiven Audiowalk, der von der Neuen Börse bis zur Landiwiese führt, werden die Teilnehmer über eine Stimme aus dem Kopfhörer gelotst – die genaue Route ist eine Überraschung. Diese Stimme erinnert an ein Navigationsgerät und wurde aus einer in hunderttausende Silben aufgespaltenen Frauenstimme zusammengesetzt: «Sie kommt zwar aus der Distanz, wirkt aber trotzdem nahe beim Teilnehmenden. Denn sie weiss immer genau, wo er sich befindet und was er als Nächstes tun wird», verspricht der Regisseur.

Die Stimme verändert sich während des Stücks und beschreibt die Umgebung und Interaktion zusehends intimer. Die Teilnehmer hören also nicht nur einfache geografische Wegleitungen wie «links abbiegen», sondern auch psychologische Reflexionen der Maschine wie etwa: «Wieso verliebt sich der Mensch?». Die künstliche Stimme reflektiert so über den Menschen und macht ihn zum Exotikum.

Lokale Besonderheiten

Die Remote-Tour fand bereits an verschiedenen Orten statt: Immer ging Regisseur Kaegi auf lokale Besonderheiten ein und zeigte diese aus einer ungewohnten Distanz. So erlebten etwa die Zuschauer in Avignon rund um den Papstpalast eine mittelalterliche Klang-Kulisse. Mit Hilfe einer ausgeklügelten Mikrofontechnik und von Toneffekten stülpt der Sound-Designer Niki Neecke «eine akustische Blase über Alltägliches».

Am Theaterspektakel feiert die Audio-Tour Zürcher Premiere. Kaegi hat zwar schon einmal drei Jahre lang in der Limmatstadt gelebt, trotzdem konnte er bei der Routenplanung für «Remote Zürich» Neues entdecken. So wird es auch dem Zuschauer gehen, wenn er sich die Kopfhörer aufsetzt.  Jonas Frehner

«Remote Zürich»
Von der Gruppe Rimini Protokoll (CH/DE)
Fr, 16.8.–Fr, 30.8., jew. 18.30 Ausnahme Sa, 15.00

Start bei der Neuen Börse, ­Selnaustrasse 30, Zürich. Vorverkauf, wenige Karten beim Start des Audiowalks

 

Spektakuläres am See

Das Zürcher Theaterspektakel zeigt in seiner 34. Ausgabe wieder «Short Pieces». Zu sehen ist beispielsweise eine Videoperformance der Bühnenkünstlerin Chuma Sopotela aus Kapstadt. Das Stück «Inkukhu ibeke iqanda» (Das Huhn hat seine Eier gelegt) zeigt die schwierige Situation junger Frauen in den Townships Süd­afrikas. Ihre Welt ist geprägt von Perspektivlosigkeit, sexueller Gewalt und männlicher Dominanz.

Neben diesen «Short Pieces», von denen die Zuschauer an einem Abend mehrere besuchen können, sind Langspielproduktionen zu sehen. Diese reichen von Tanz- und Performance-Produktionen über klassische Theaterstücke bis zu Konzerten. Umrahmt von der atmosphärischen Kulisse auf der Landiwiese am Zürichsee spielen Gruppen aus aller Welt auf. Auffallend dabei: Viele der Gäste haben Stoffe aus anderen Kulturen und Kontexten ausgewählt. Sie berichten von den Brennpunkten der Welt wie Südafrika, Myanmar, Iran, Indien und Sri Lanka.

Zürcher Theaterspektakel
Do, 15.8.–So, 1.9.
Landiwiese, Rote Fabrik, Werft, Neue Börse
Für alle Vorstellungen (auch die ausverkauften) sind an der Abendkasse noch einige Tickets erhältlich.

Weitere Infos:
www.theaterspektakel.ch