«Edith liebt ihn. Hievon nachher mehr.» Die beiden Eröffnungssätze sind typisch für diesen Roman. Auf «mehr» wartet man auf den folgenden Seiten vergeblich. Diese und viele weitere Erwartungen, die der Text weckt, werden nie eingelöst. Und wenn ein Motiv wiederkehrt, ist es mit Bestimmtheit für die Handlung irrelevant. Walser schreibt über das Schreiben oder besser darüber, was er nicht schreibt. In der Lektüre offenbart sich das aussergewöhnliche Erzählprinzip als überaus vergnüglich.
Unverkennbar autobiografisch grundiert, gehörte «Der Räuber» lange zu den unentdeckten Romanen von Robert Walser. Denn der Text ist Teil der sogenannten «Mikrogramme» (siehe Seite 27), entstanden 1925 und erst Jahrzehnte später dechiffriert. Ein allererstes Mal ist das entzifferte Manuskript 1972 in gedruckter Form erschienen.
«Der Räuber» ist ein schmaler Band grosse Schweizer Literatur. Es ist ein Stück «Meta-Literatur», denn Robert Walser thematisiert vor allem das Erzählen selber. Zwar gibt es einen Handlungsrahmen, ein erzählerisches Gerüst: Die Geschichten eines müssiggängerischen, erfolglosen Schriftstellers in Bern. Aber hauptsächlich finden sich Stellen über den Schreibprozess. Da wird verwiesen, fröhlich ab- und ausgeschweift, dass es eine
Freude ist.

Robert Walser
«Der Räuber»
Erstausgabe: 1972
Heute erhältlich im Suhrkamp Verlag.