Fernsehen SRF hat seit Januar eine neue Satire-Sendung: In «Late Update» versucht sich der Zuger Kabarettist Michael Elsener im Wochentakt am Sonntagabend in der Kunst, witzig und frech eine Sendung zu bestreiten. Der Kabarettist, der mit seinen cleveren Bühnenprogrammen und klugen Video-Blogs überzeugen kann, muss seine Form im neuen Medium noch finden. In den ersten Sendungen zeigt sich alles allzu zäh, langfädig und zu wenig locker. Andere machen es vor, wie es auch gehen könnte.
Politisches Kabarett am Fernsehen, das mit den komischen Mitteln der Satire arbeitet, gibt es mit zum Teil jahrzehntealten Formaten, die frisch und flott daherkommen. Die Sendungen stellen sich in die Tradition der Gattung, die Unterhaltung mit Haltung bietet, übertreibt, zuspitzt, mit Ironie und Parodie zur Sache geht – und dabei im besten Fall aufklärt, entlarvt oder gar anklagt. Die anregt und aufregt, den Finger auf Wunden legt und Personen mit Macht angriffig bis respektlos der Lächerlichkeit preisgibt.
Es geht dabei um Relevantes, um Politik und Gesellschaft. Das unterscheidet die Satiriker im Kabarett von den Spassmachern im Genre «Comedy», die einfach nur lustig sind (oder auch nicht).
Der kulturtipp hat sich umgeschaut auf deutschsprachigen TV-Kanälen und stellt zehn ausgewählte Satiresendungen vor. Sie wurden nach fünf Kriterien bewertet und in einer Rangliste geordnet.
1 Die Anstalt
Drei Wochen recherchieren die Macher von «Die Anstalt» (seit 2014) für ihre einstündige Sendung, um einmal im Monat auf fundiertem faktischem Hintergrund satirisch zuzuschlagen. Jede Sendung ist einem einzigen Thema gewidmet: Fifa-Korruption, Flüchtlingspolitik oder Griechenland-Krise, Klimawandel, Waffenexporte oder Deutsche Bahn. Die Gastgeber Claus von Wagner und Max Uthoff spielen mit Gästen Ensemble-Szenen, und alle kommen mit Solo-Auftritten zum Zug. Mit Hazel Brugger und dem Duo Ohne Rolf kamen auch schon Schweizer zum «Ritterschlag», in der gegenwärtig besten Satire-Sendung aufzutreten. Komplexe politische und gesellschaftliche Themen werden szenisch abgehandelt. Schaubilder an der Tafel zeigen zudem schonungslos Verflechtungen und Zusammenhänge auf. Manchmal bringt die Sendung lebendige Wirklichkeit auf die Studio-Bühne, etwa den Zeugen eines Massakers durch SS-Angehörige 1944 in Griechenland (der in Zürich lebende Argyris Sfountouris) oder die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano. (hau)
www.zdf.de/comedy/die-anstalt
Nächste Sendung: Di, 12.3., 22.15 ZDF
Aktualität *****
Relevanz *****
Originalität *****
Unterhaltungswert *****
Satirische Schärfe *****
2 heute-show
Am vorgerückten Freitagabend lässt ZDF auf das topseriöse «heute journal» die topsatirische «heute-show» folgen. Oliver Welke – ansonsten als Sportreporter tätig – schlüpft für 30 rasante Minuten in die Rolle des aufgeweckten Nachrichten-Moderators. Er hinterfragt scharfsinnig brisante Schlagzeilen und Meldungen. Zur Erläuterung vertrackter Zusammenhänge konsultiert er «Expertinnen» oder schaltet zu «Aussenreportern». Als solche treten seit 2009 die hellsten Köpfe und frechsten Stimmen der deutschsprachigen Satire und Comedy in Erscheinung, die zur Sprache bringen, was andere höchstens zu denken wagen: Leute wie Olaf Schubert, Carolin Kebekus oder Hazel Brugger. Thematisch fokussiert die «heute-show» auf das Politgeschehen in Deutschland sowie aktuelle Brennpunkte von der Türkei bis zur USA. Die Akteure werden mit Witz und Esprit entlarvt. (fn)
www.heute-show.de
Nächste Sendung: Fr, 8.3., 22.30 ZDF
Aktualität ****
Relevanz *****
Originalität ****
Unterhaltungswert *****
Satirische Schärfe *****
3 Mann, Sieber!
Der Quirlige und der eher Bedächtige: Die Kabarettisten Tobias Mann und Christoph Sieber bestreiten seit 2015 die jüngste Satiresendung, die als «politische Late Night» betitelt ist. Bereits in der einleitenden Moderation geht es los: Die beiden necken sich gerne gegenseitig auf ironische Art. Die Beiträge spielen sie dann einträchtig gemeinsam. Komplexe Themen können bei ihnen schon mal anschaulich mit Playmobil-Figuren erklärt werden. Das näherliegende, aktuelle deutsche politische Leben ist ebenso Gegenstand ihrer Nummern wie die grosse Weltpolitik. Eines ihrer Markenzeichen ist ein lebensgrosses Kasperlitheater: Im Studio bieten sie in einem überdimensionierten Bildschirmrahmen Youtube-Schnellkurse. Dazu kommen mit viel Spass gedrehte Filmeinspieler. (hau)
www.zdf.de/comedy/mann-sieber/
Nächste Sendung: Di, 19.3., 22.45 ZDF
Aktualität *****
Relevanz ****
Originalität ****
Unterhaltungswert *****
Satirische Schärfe ****
4 Mitternachtsspitzen
Die «Mitternachtsspitzen» starteten 1988 mit Gastgeber Richard Rogler. Seit 1992 hat Jürgen Becker die Rolle inne. Er gehört mit Wilfried Schmickler und Uwe Lyko zur Stammbesetzung im Alten Wartesaal am Dom in Köln. Seit 2014 ist Susanne Pätzold fest mit dabei, als Parodistin von Ursula von der Leyen, Andrea Nahles oder Sahra Wagenknecht. Wechselnde Kabarettisten-Kollegen kommen mit Solo-Auftritten an die Reihe. Zu den Höhepunkten der Sendung gehört die Rubrik «Überschätzte Paare der Weltgeschichte», in der Schmickler und Lyko verkleidet Prominenz wie Angela Merkel, Papst Benedikt XVI., Erdogan, Bundestrainer Jogi Löw oder Wladimir Putin verkörpern. Immer wieder lustig: «Käpt’n Blaubär» mit politischem Seemannsgarn, imitierter Stimme und Animationsfilm. Am Schluss jeder Sendung tigert Schmickler durch den Saal und schimpft als zorniger Mann über aktuelle Themen. (hau)
www.mitternachtsspitzen.de
Nächste Sendung: Sa, 9.3., 22.30 WDR
Aktualität ****
Relevanz ****
Originalität *****
Unterhaltungswert *****
Satirische Schärfe *****
5 extra 3
Der Zusatztitel der bereits seit 1976 existierenden Sendung lautet «Der Irrsinn der Woche». Dabei werden Kurzreportagen realisiert zu Fällen von Behördenversagen und Ämterpfusch wie Strassenbausünden, irrwitzige Beschilderungen oder sonstigen abstrusen Massnahmen im öffentlichen Raum. Für diplomatische Verstimmungen sorgte der Song «Erdowie, Erdowo, Erdogan» zur Musik des Nena-Titels «Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann», eine Beleidigung des türkischen Staatsoberhaupts – rechtlich dank Presse- und Meinungsfreiheit ohne Folgen. «extra 3» geht auch hinaus in die politische Welt, wenn Jakob Leube als «Kleiner Mann» Abgeordnete des deutschen Bundestages befragt, um letztlich aufzudecken, wie wenig sie von Parlamentsgeschäften verstanden haben. Kultig sind die Auftritte von Autor Heinz Strunk mit einem Monolog als angeblicher Experte. Moderator Christian Ehring ist seit 2011 im Dienst der Sendung. (hau)
www.x3.de
Nächste Sendung: Do, 7.3., 22.45 ARD & Mi, 27.3. 22.50 NDR
Aktualität ****
Relevanz ****
Originalität ****
Unterhaltungswert *****
Satirische Schärfe ****
6 Neo Magazin Royale
Moderator Jan Böhmermann ist der böse Bube des deutschen Fernsehens. Legendär ist sein «Schmähgedicht» im März 2016 auf den türkischen Staatschef Recep Erdogan, eine Reaktion auf den Song in «extra 3». In einem Glanzstück der Fernsehsatire liess Böhmermann 2017 ein Lied von Zoo-Affen kreieren: Sie generierten aus Textbausteinen von deutschsprachigen Popsongs den Titel «Menschen Leben Tanzen Welt» (die meistvorkommenden Wörter). Die Veräppelung von deutschsprachigem Hitparaden-Pop brachte es gar selber in die Charts! «Neo Magazin Royale» kommt im Gewand einer Late-Night-Show daher, nur eben mit satirischem Einschlag. Immer wieder gibt es Überraschungen. Abzug geben die etwas albernen Spiele mit Talkgästen, die offenbar zu einem solchen Fernsehformat gehören müssen. Mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld verfügt die Sendung über die beste Showband des deutschen Fernsehens. (hau)
www.zdf.de/comedy/neo-magazin-mit-jan-boehmermann
Nächste Sendung: Do, 7.3., 22.15 ZDFneo
Aktualität ***
Relevanz ***
Originalität ****
Unterhaltungswert ****
Satirische Schärfe *****
7 Mathias Richling Show
Mathias Richling, der gescheite Zappelphilipp unter den deutschen Kabarettisten, ist der wohl begnadetste Verwandlungskünstler. In seiner Einmann-Sendung ist er viele aufs Mal: Er schlüpft in die Rollen von Figuren des öffentlichen Lebens, meist des politischen. Richling tut es in Filmeinspielern, aber ebenso im Studio und erst noch gleichzeitig: Die Technik erlaubt es, dass Richling als er selber eine Person auf dem Sessel nebenan interviewt und dieser auf den Zahn fühlt. Das gelingt ihm dank Verkleidung und famoser darstellerischer Kunst. Er karikiert Merkel und Kramp-Karrenbauer und so manch andere. In seinen Nummern entblösst er mit hohem Unterhaltungsfaktor das leere Geschwätz politischer Prominenz. Eine halbe Stunde lang dauert die Sendung mit dem wandelbaren Parodisten. (hau)
www.mathias-richling.de
Nächste Sendung: So, 3.3., 22.50 SWR
Aktualität ****
Relevanz ****
Originalität *****
Unterhaltungswert ****
Satirische Schärfe ****
8 Willkommen Österreich
Mit «Gags, Gags, Gags und zwei wunderbaren Gästen» lockt «Willkommen Österreich» seit 2007 wöchentlich zur Talkshow. Dem klassischen Late-Night-Format folgend, wird das aktuelle Wochengeschehen im Land kommentiert. Eigenwillig ist die Doppelmoderation durch das Kabarettisten-Duo Christoph Grissemann und Dirk Stermann, das sich mit stichelnder Selbstironie durch die Sendung kalauert. Die 50-minütige Sendung am späten Dienstagabend folgt einem fixen Ablauf: Auf wortverspielte Einstiegsgags folgt die satirische Live-Synchronisation von TV-Bildern durch das Duo Maschek. Zwei Gäste aus Showbiz, Politik, Kultur stellen sich sodann unverschämten Fragen der beiden Gastgeber. Zuweilen gibt es Einspieler von findigen Aussenreportern. Als Studioband fetzt die Wiener Ska-Rockband Russkaja. (fn)
www.willkommen-oesterreich.tv
Nächste Sendung: Di, 5.3., 22.00 ORF 1
Aktualität ****
Relevanz ***
Originalität ***
Unterhaltungswert ****
Satirische Schärfe ***
9 SchleichFernsehen
Der Bayer Helmut Schleich gehört zu den talentiertesten Parodisten Deutschlands. Er kann sie alle trefflich nachmachen, mit etwas Maske und im entsprechenden Kostüm: Franz Josef Strauss, Ludwig II., Uli Hoeness, Andrea Nahles, Donald Trump. In der Sendung findet sich echtes Filmmaterial mit falschem nachsynchronisiertem Text unter dem Titel «Schorschi und Beppi»;
das sind die dialogisierenden greisen Brüder Ratzinger. Am Ende sagt einer immer: «Gut, dass uns keiner zuhört.» «SchleichFernsehen» ist eine One-Man-Show mit wechselnden wenigen Gästen. Schmankerl: Aus einem Ausziehschrank im Studiodekor erscheint der Handorgelspieler Sebastian Daller und gibt böse vierzeilige Gstanzln zum Besten. Zum Jubiläum der 50. Sendung von Mitte Februar hatte eine Figur ihre Fernsehpremiere: Schleich spielte den Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder beim Selbstinterview gleich doppelt. (hau)
www.br.de/br-fernsehen/sendungen/schleichfernsehen
Nächste Sendung: Do, 14.3., 21.00 BR
Aktualität ***
Relevanz ***
Originalität ***
Unterhaltungswert ****
Satirische Schärfe ****
10 nuhr im Ersten
Dieter Nuhr bildet mit seiner Sendung in der kulturtipp-Wertung das einsame Schlusslicht – mit gutem Grund. Als Gastgeber hat Nuhr einleitenden Text und moderierende Zwischentexte. Seine eigenen, mit flüsternder Stimme vorgetragenen Beiträge warten oft mit plumpen, lauen Pointen auf, wenn diese nicht ganz fehlen. Das Schlimmste, was im komischen Fach passieren kann – nicht lustig zu sein –, lässt sich bei «nuhr im Ersten» leider allzu oft beobachten. Die komische Qualität der Gäste schwankt, auch wenn als Ausnahmeerscheinung Leute wie Andreas Rebers oder Hazel Brugger mitmachen. Die Güte des Ganzen leidet gewaltig durch unlustige Teilnehmer, vor allem Dauergast Ingo Appelt kann einem tüchtig auf den Geist gehen. Schade für ein prominentes Format im Ersten Deutschen Fernsehen, wo die Chancen des Metiers nicht genutzt werden. (hau)
www.daserste.de/unterhaltung/comedy-satire/satire-gipfel
Nächste Sendung: Do, 21.3., 22.45 ARD
Aktualität **
Relevanz **
Originalität **
Unterhaltungswert ***
Satirische Schärfe **