Vincent van Gogh (1853–1890) war nicht wahnsinnig: «Feinfühlig hat er die Entwicklungen der Zeit und ihre tiefen gesellschaftsverändernden Auswirkungen mit wachem Bewusstsein verfolgt. Als Aussenseiter und Weltverbesserer kämpfte er gegen die unnachgiebigen Beschränkungen …», schreibt der deutsche Autor J.R. Bechtle in «Hotel van Gogh» über die Persönlichkeit des Malers.

Die Geschichte spielt in Auvers nahe bei Paris. Van Gogh ist verzweifelt, seine Kunst findet keine Anerkennung. Er jagt sich am 28. Juli 1890 eine Kugel in den Kopf und stirbt am folgenden Tag. 2003 wird im gleichen Hotelzimmer die Leiche eines ehemaligen deutschen Unter­nehmers gefunden. Die Polizei geht von einem Selbstmord aus. Doch dessen Nichte Sabine, auf Ferienreise nach Sylt, glaubt nicht an die These. Denn ihr Onkel konnte soeben sein erstes Romanskript bei einem Verleger unterbringen. Sie beginnt auf eigene Faust mit Ermittlungen.

J.R. Bechtle hat die Geschehnisse Ende des 19. Jahrhunderts mit den Ereignissen zu Beginn des 21. verwoben, nicht verknüpft. Einziger Bezugspunkt der Handlungsstränge ist der Tod des Malers. Und dieser Rück­blick macht das Buch stark. Bechtle beschreibt die letzte Zeit Van Goghs trefflich: Sein symbiotisches Verhältnis zu seinem Bruder Theo. Die Ablehnung, die er von seiner Schwägerin erfuhr, die erst nach seinem Tod das Genie erkannte. Und der Kampf van Goghs, trotz seiner Eigensinnigkeit in der Gesellschaft zu bestehen. Die moderne Krimigeschichte dagegen ist nicht besonders originell. Immerhin schildert Bechtle die Hauptfigur Sabine mit ihren eigenen Zweifeln und Selbstzweifeln anschaulich.

Dem Autor – er ist Jurist und lebt in San Francisco – wäre für sein zweites Werk ein etwas strengerer Lektor zu wünschen, der das Manuskript sprachlich aufpoliert. Denn dieser Roman besticht leider keineswegs durch stilistische Brillanz.

Dennoch: Wer im Bann des holländischen Meisters steht, sollte es lesen.

J.R. Bechtle
«Hotel van Gogh»
315 Seiten
(Frankfurter
Verlagsanstalt 2013).