Schnee wird in hiesigen Gefilden zur Mangelware – aber im Geschichtenband «Schneefrei» rieseln die Flocken en masse. 22 Autorinnen und Autoren widmen sich darin den Freuden und Leiden der Winterzeit. Sie entführen in die Berge, nach Wien oder Budapest. Der US-Kultautor T.C. Boyle etwa lässt in einem eingeschneiten Bergdorf im US-Bundesstaat Montana die Bärenjäger umgehen. Das gesellschaftliche Leben spielt sich in der einzigen Kneipe des Dorfs ab, wo auch  kleine und grosse (Liebes-)Tragödien ausgetragen werden. 

In die wohlige Wärme führt der Oltner Autor Alex Capus. Sein Ich-Erzähler flieht aus der Budapester Kälte in ein Thermalbad. Als Tourist muss er sich zuerst an die ungarischen Gepflogenheiten und an seinen knappen Lendenschurz gewöhnen. Doch dann lässt er sich vom Dampf einhüllen und unternimmt gedanklich eine kleine Zeitreise 400 Jahre zurück, als das Thermalbad unter der Türkenherrschaft gebaut wurde. Der Schnauzbärtige im Bad wird in Capus’ Fantasie zum Hauptmann im napoleonischen Heer und ein «putziges Kerlchen» zum Lustknaben eines Gewürzhändlers. 

Die deutsche Autorin Elke Heidenreich lässt ihre Ich-Erzählerin eine Reise nach Wien unternehmen. Von da aus schreibt sie einem 20 Jahre jüngeren Schönling einen Brief, in dem sie ihre winterlichen Wiener Eindrücke schildert und darüber sinniert, warum aus ihnen beiden kein Paar wurde. 

Der Band versammelt leichte Kost, witzige, poetische oder melancholische Geschichten – gut geeignet für die Lektüre in der warmen Stube, wenn der eisige Wind um die Häuser pfeift.     

Karoline Adler (Hrg.)
«Schneefrei – die schönsten Wintergeschichten»
272 Seiten
(dtv 2015).