In der Netflix-Serie «Bir Baskadir» zeigt sich die tiefe Kluft in Istanbuls Gesellschaft. Moderne und Tradition, reich und arm, säkular und religiös prallen hier aufeinander. Und dennoch ist dem Achtteiler jegliche Schwarz-Weiss-Zeichnung fremd. Denn der türkische Regisseur und Autor Berkun Oya versteht es, subtil mit den Vorurteilen des Publikums zu spielen. Die Serie zeichnet das Leben von acht Menschen quer durch die Gesellschaft nach: etwa die junge, religiöse Meryem (Öykü Karayel), die aus einem ärmlichen Vorort anreist, um ein schickes Loft in Istanbul zu putzen. Als ihr eine Psychotherapie verschrieben wird, trifft sie auf die liberale Psychiaterin Peri, die Kopftuchträgerinnen insgeheim verabscheut: Meryem ist für sie eine unterdrückte Frau. Bald erkennt sie jedoch, dass sich hinter dem Kopftuch ein kluger Kopf verbirgt, der sie über ihre eigenen Prägungen nachdenken lässt.

Die in der Türkei kontrovers diskutierte Serie geht mit langsamen Kameraeinstellungen im gemächlichen Tempo voran, der Fokus liegt auf Gesprächen. Und so unterschiedlich die Lebenswelten der ­Figu­ren sind, eines haben alle gemeinsam: Die Sehnsucht nach Wertschätzung und Liebe. «Bir Baskadir» ist so philosophisch wie politisch – eine Perle im Netflix-Dschungel, die auch im Hinblick auf die baldige Abstimmung rund ums Verhüllungsverbot interessant ist.