Mit «The Filth and the Fury», «Widerlichkeit und Wut», be­titelte der «Daily Mirror» 1976 einen Artikel über die Sex ­Pistols (Bild). Die Band hatte am Abend zuvor live einen Fernsehmoderator beleidigt. Presse und bürgerliches Grossbritannien waren sich einig: Es gibt eine neue Bedrohung, und die heisst Punk. Die Episode machte die Sex Pistols zu ­einem Phänomen und darf deshalb auch in der Serie «Pistol» nicht fehlen. Im Sechsteiler des Streaminganbieters ­Disney+ erzählt der Regisseur Danny Boyle die Geschichte der berüchtigten Band. Boyle rollt die nur dreieinhalb Jahre dauernde Karriere der Sex Pistols vor dem Hintergrund von Klassenhierarchie und Arbeitslosigkeit auf. Dass der Fokus stark auf Gitarrist Steve Jones (Toby Wallace) liegt, ist ­logisch: Die Serie basiert auf dessen Autobiografie. Tatsächlich ist «Pistol» aber am spannendsten, wenn Boyle den Blick auf Nebenfiguren lenkt. Wenn die spätere Pretenders-­Sängerin Chrissie ­Hynde um ihre Musikkarriere kämpft. Wenn Nancy, die Freundin von Bassist Sid ­Vicious, nicht mehr nur als Junkie porträtiert wird. Oder wenn die Vivienne-West­wood-­Muse Jordan gesellschaft­-liche Tabus sprengt. «Ich will Saboteure», mag Pistols-­Mana­ger Malcolm McLaren verkünden. Nackt im durchsichtigen Regen­mantel die morgend­lichen Pendler schockieren – das ist wirklich Punk.

Pistol
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