kulturtipp: Demnächst zügelt die SRF-Kulturredaktion von Zürich nach Basel. Offenbar sind nicht all Ihre Kollegen begeistert. Gibt es solche, die nicht mitzügeln?
Stefan Charles: Einigen bereitet das Pendeln organisatorische Probleme. Mit den meisten konnten wir Lösungen wie Home-Office finden. Eine einstellige Zahl von Mitarbeitenden hat sich entschlossen, SRF zu verlassen.
Offenbar gibt es Redaktionszusammenlegungen?
Die Redaktion Kunst & Gesellschaft wird mit der Redaktion Aktualität zusammengeführt, zudem alle Wissenschaftsredaktionen. Dies hat zur Folge, dass man gemeinsam recherchiert und dann entscheidet, welche Inhalte sich für Radio-, Fernseh- oder Online-Beiträge eignen.
Führt das nicht zu einer Verwässerung der einzelnen Sendegefässe?
Nein, es gibt weiterhin Verantwortliche für die einzelnen Sendungen.
Diese Arbeitsweise existiert bereits bei den News. Mit der Folge, dass dieselben Beiträge in «Tagesschau», «10 vor 10» und anderen Formaten zu sehen sind.
Bei der Kultur arbeiten wir weniger News-getrieben. Natürlich gibt es aktuelle Themen wie zum Beispiel den Tod von Bruno Ganz, die auf allen Kanälen stattfinden.
Wenn dies mit identischen Beiträgen geschieht, droht aber eine Verarmung der redaktionellen Vielfalt.
Das ist uns bewusst. Deshalb wollen wir kulturelle Themen am Radio anders erzählen als online oder im Fernsehen.
Der Online-Bereich erfährt eine spürbare Aufwertung. Können Sie einem älteren oder konservativen Publikum garantieren, dass in naher Zukunft keine «analogen» Kultursendungen verschwinden?
Namentlich bei Radio SRF 2 Kultur werden bis auf Weiteres keine Sendungen abgeschafft.
In einem Interview sagten Sie, SRF 2 Kultur werde «dem allgemeinen Hörverhalten angepasst». Was heisst das?
Das sind kleine Optimierungen wie die Verlegung des Satire- Einschubs vom Morgen auf den Vorabend, was aufgrund von Hörerreaktionen geschieht.
Zum Fernsehen: Die Sendung «Kulturplatz» bekommt mit Rajan Autze, Chef von 3sat Schweiz, einen neuen Leiter.
Welche Akzente wird er setzen?
Der bisherige Leiter Martin Eggenschwyler ging in Pension. Mit Rajan Autze wird die Sendung sukzessive optimiert.
Wie schafft es der Leiter von 3sat Schweiz, zusätzlich die Sendung «Kulturplatz» zu verantworten?
Eine Kooperation von 3sat und «Kulturplatz» macht Sinn. Am neuen Standort Basel wollen wir gerade solch intensivere Zusammenarbeit fördern.
Beim «Kulturplatz» und anderen Sendungen ist eine Tendenz hin zu Kurzstoffen zu beobachten.
Im Gegenteil! Der «Kulturplatz» ist so positioniert, dass hier auf Vertiefung gezielt wird. Die Sendungen sind monothematisch angelegt, einzelne Facetten eines Themas können dabei unterschiedlich gewichtet werden. Davon hängt die Länge einzelner Abschnitte innerhalb der Sendung ab. Gerade in der Kultur kann man ein Thema oft nicht in 30 Sekunden behandeln.
Die einzige noch verbliebene Filmsendung von SRF heisst aber «Keine 3 Minuten».
Den Bereich Film haben wir ins Gesamtredaktionelle eingebettet. Es gibt Filmthemen in den «Sternstunden» oder im «Kulturplatz», ausserdem regelmäs-sige Spezialsendungen, etwa zu den Filmfestivals.
Filminteressierte müssen sich Infos also zusammensuchen?
Filminteressierte haben über die SRF App, den Player und die Website Zugriff auf die Filmberichterstattung von SRF. Eine reine Filmsendung ist im Moment nicht geplant.
Sind die strukturellen Anpassungen bei SRF-Kultur Teil des SRG-Sparprogrammes?
Der Umzug nach Basel ist Teil einer Flächenkonzentration bei SRF. Im Gesamten kann SRF knapp 30 Prozent Infrastrukturkosten einsparen, was rund zehn Millionen Franken entspricht. Hinsichtlich der Personal- oder Organisationsstruktur hatten wir in der Kultur keinerlei Sparvorgaben.
Indem man dem 3sat-Chef noch den «Kulturplatz» übergibt, hat man doch eine Stelle eingespart.
Das SRG-Sparprogramm beinhaltet auch einen Stellenabbau. Dieser geschieht aber über natürliche Abgänge. Ein Beispiel ist Barbara Bürer: Mit ihrer Pensionierung verschwand die Sendung «Nachtwach». Kommt es zu «Personalgewinnen», lagern wir diese um. Im Online-Bereich haben wir grossen Bedarf.
Die Verschiebung der zweiten «Wilder»-Staffel wurde als Sparmassnahme kommuniziert. Wieso sparen Sie bei einem Publikumsrenner?
Diese Verschiebung hatte unter anderem den Grund, dass «Wilder» den Sendeplatz von «Der Bestatter» übernehmen soll.
Durch die «Wilder»-Verschiebung vom Herbst 2019 auf den Januar 2020 können Sie Ihr Budget 2019 entlasten.
Ein weiterer Grund ist sicher, dass die Verschiebung auch einen positiven Effekt auf die Sparmassnahmen hat, die das Programm nicht tangieren sollen. Gerade im digitalen Bereich müssen wir uns entwickeln.
Um das junge Publikum zu gewinnen?
Das ist relativ. Viele Leute zwischen 40 und 50 beziehen einen Grossteil unseres Angebotes on-line.
Wie erreichen Sie die ganz Jungen?
Unsere Zahlen zeigen zum Beispiel, dass rund 50 Prozent der 14- bis 49-Jährigen den «Bestatter» zeitversetzt genutzt haben. Diesem Bedürfnis müssen wir mehr Rechnung tragen, etwa im Radio mittels Podcasts.
Wie begegnen Sie der Konkurrenz des Serienanbieters Netflix?
Die SRG plant eine Plattform, auf der Dokumentarfilme, Serien und Spielfilme aus allen Landesteilen angeboten und übersetzt werden. Mit dem Austausch haben wir bereits begonnen. Die Serie «Wilder» war ein grosser Erfolg in der Romandie.
Wie sehen Sie die Erfolgsaussichten einer solchen Plattform?
Wir haben ein vielfältiges Angebot und fokussieren auf relevante Themen für Menschen in der Schweiz. Das kann Netflix nicht bieten.
Interview: Babina Cathomen,
Anpassungen bei SRF Kultur
- Die Kultur-Redaktionen von Radio, Fernsehen und Online mit rund 330 Personen arbeiten ab 3. Juni im neuen Studio im «Meret Oppenheim Haus» Basel. Gut 100 SRF-Leute ziehen von Zürich nach Basel.
- Das «Dok»-Team mit rund 50 Personen bleibt in Zürich.
- Die Radio-Redaktionen Aktualität sowie Kunst & Gesellschaft («Kontext», «Passage», «Hörpunkt») werden fusioniert.
- Die Redaktionen von «Einstein», «Nano» und «Radio-Wissenschaft» werden zur Redaktion Wissenschaft zusammengelegt.
- Rajan Autze wird neuer Leiter der Sendung «Kulturplatz».
- Im neuen Bereich «Online & Distribution» werden die Online-Kanäle ausgebaut. Welche Inhalte sich für Radio-, Fernseh- oder Online-Beiträge eignen, fliesst in die Planung ein.
- Im Entstehen ist eine digitale Plattform mit Dokumentarfilmen, Serien und Spielfilmen aus allen Landesteilen.