Jahrzehntelang war es ihm nicht vergönnt, eine Hauptrolle zu spielen. Bis Wim Wenders kam, der Harry Dean Stanton für die Figur des Travis in «Paris, Texas» (1984) besetzte. Denn Sam Shepard, der Autor von «Paris, ­Texas», hatte keine Lust, die Hauptrolle selbst zu spielen. Stanton passte da bestens, so Shepard: «Er weiss, dass sein Gesicht eine Geschichte ist.»
Stanton darf als lebende Legende gelten, der mit seinen heute 87 Jahren auf rund 250 Filme zurückblicken kann. «Seit 50 Jahren mache ich diesen Scheiss schon», sagt er in «Harry Dean Stanton: Partly Fiction», dem Dokumentarfilmdebüt von Sophie Huber. Stanton kommt darin zwar zu Wort, viel reden will er aber nicht («Ich will keinen Text – wie wärs mit Stille?»).
Dafür singt er. Es sind daheim in der Stube vorgetragene Songs, die auch viel über ihn selber aussagen. Folksongs, die er selber mit eigener Band spielte. Aufnahmen gab es aber bisher keine. So ist der Film auch ein exklusives Dokument, in dem der singende und Mundharmonika spielende Stanton zu hören ist.

«Es gibt kein Selbst»

Eine andere Szene: US-Regisseur David Lynch raucht mit Stanton auf dessen Sofa und interviewt ihn. Sechs Filme haben sie zusammen gemacht. Unschuld und Natürlichkeit seien es vor allem, die laut Lynch Stantons schauspielerische Charakteristiken ausmachen. Auf Lynchs Frage, wie er sich selber sehe, antwortet Stanton: «Als nichts. Es gibt kein Selbst.»
«Partly Fiction» im Filmtitel zitiert einen Song von Kris Kristofferson aus dem Jahr 1971. Johnny Cash meinte, er singe über ihn. Aber Kristofferson sang den Titel auch über andere. Unter anderem über Harry Dean Stanton, der dem Sänger und Freund die allererste Filmrolle besorgte. Ihm singt Kristofferson es am Ende des Films vor. Im Refrain heisst es: «He’s a prophet, he’s a pusher, partly truth and partly fiction, a walking contradiction».

Harry Dean Stanton:
Partly Fiction
Regie: Sophie Huber
Ab Do, 16.5., im Kino