Noch immer leben Menschen, denen der Zweite Weltkrieg im Nacken sitzt. Vor gut sechs Jahren schrieb der Zürcher Journalist Sacha Batthyany über seine Grosstante Margit Batthyany-Thyssen, die kurz vor Kriegsende am Massaker von Rechnitz beteiligt war. In diesem burgenländischen Dorf waren 1945 fast 200 Juden von einer Festgemeinde erschossen worden.

Nun hat Batthyany ein Buch zum Thema nachgereicht. Könnte man meinen, doch der Band – weder Roman noch Sachbuch – geht weiter und tiefer. Batthyany geht der Frage nach, weshalb ihm dieses Verbrechen keine Ruhe lässt. Auf ausgedehnten Recherchen und Reisen stösst er auf eine weitere Untat, die ihn mindestens ebenso erschüttert und die er anhand der Tagebücher seiner Grossmutter und deren Jugendfreundin rekonstruieren kann.

Seine Recherchen ergänzt Batthyany um eine Psychoanalyse, denn er hat mit Fragen zu kämpfen, die schmerzen und der Heilung bedürfen: Wie schafft man es als Nachgeborener, die Wahrheit in erklärender Tiefenschärfe zu erfahren? Wie lässt sich Geschichte schreiben? Wer schreibt sie? Ist Schuld vererblich?

Sein im Buch nacherzählter Prozess überträgt sich auf die Lesenden, seien sie nun affin für das Thema oder nicht. Denn jeder blickt auf eine Vergangenheit zurück mit familiären Rätseln oder Geheimnissen. Wie seine Grossmutter und deren Freundin sah sich auch Sacha Batthyany gezwungen, seine Geschichte aufzuschreiben. Nur so konnte er Klarheit gewinnen – und Abstand. Obwohl als therapeutische Massnahme konzipiert, hat sein Buch einen Verlag gefunden. Und ein Publikum. Nächste Lesungen gibt der Autor an den ­Solothurner Lieraturtagen.

Sacha Batthyany
«Und was hat das mit mir zu tun?»
256 Seiten (Kiepenheuer&Witsch 2016).