Um den Kopf frei zu kriegen, taucht der Mönch Lukas abends jeweils tief ab in den See nahe beim Kloster, lässt die Gedanken fliessen, sich vom Wasser tragen. Vor 16 Jahren hat sich der 38-Jährige für die Benediktinerabtei entschieden. Kürzlich hat sein gleichaltriger Glaubensbruder Andreas die Abtei verlassen, weil er sich verliebt hat. Lukas fühlt sich ausgeschlossen, fühlt den Verlust des Seelenverwandten, Neid, aber auch Verständnis. Auf dem Steg am See, unter dem ein Vulkan schlummert, stellt er den eigenen Weg infrage. Für seine älteren Mitbrüder bedeutet er die Zukunft: Er soll die Leitung der Abtei übernehmen. Doch Lukas ist unschlüssig, erst recht, als er die lebensfreudige Sarah kennenlernt.  

Die sich anbahnende Liebesgeschichte ist zwar vorhersehbar im Roman des 49-jährigen Autors Moritz Heger, der Germanistik und Theologie studiert hat. Spannend ist hingegen der innere Zwiespalt, in dem sich der ­junge Mönch befindet. Er ist zwar tiefgläubig, zeigt aber doch eine überraschende Offenheit gegenüber dem Weltlichen. Das Zölibat legt er etwa – ohne grosse Gewissensbisse – recht leger aus. «Ja, man kann den Zölibat leben. (...) Manchmal verstösst man auch dagegen. Und trotzdem lebt man ihn», sagt er etwa zu einem jungen Mann, der sich für das Klosterleben interessiert. Heger beschreibt diese Selbstfindung in poetischen Naturmetaphern. Die Landschaft um den Vulkansee, das Schwimmen und der Glaube werden für Lukas zu kraftspendenden Ankern.

Moritz Heger 
Aus der Mitte des Sees
256 Seiten
(Diogenes 2021)