Nicht mal das Sterben klappt: Die 15-jährige Juli will sich von einer Autobahnbrücke in den Tod stürzen – landet jedoch nur leicht verletzt vor der Motorhaube der 69-jährigen Hella. Keine Erleichterung, sondern Scham durchflutet Juli nach ihrem Sprung: «Nicht mal das Sterben bekam sie hin, und anstatt endlich Ruhe zu haben vor allem, was wehtat, musste sie irgendwann auch noch auf die panische Frau reagieren ...». Der Ex-­Schlager­star Hella wiederum würde am liebsten abhauen: «Sich um andere zu kümmern, war noch nie ihr Ding gewesen, sie hatte ja schliesslich mehr als genug mit sich selbst zu tun.» Denn Hella, so will es der Zufall, ist auf dem Weg in die Schweiz – zur Sterbehilfe-­Organisation Exit, wo sie ihr schal gewordenes Leben beenden will.

Komisch bis bemüht lustig
Den Teenager und die Schlagersängerin verbindet zwar lediglich die Todessehnsucht und ein gestörtes Verhältnis zur Mutter, dennoch fahren sie nach einer Visite im Krankenhaus gemeinsam weiter. Ein ungleiches Duo, das sich auf einem Roadtrip wider Willen einander annähert – die 30-­jährige Autorin nimmt dieses beliebte Motiv in Literatur und Film im Roman «Ende in Sicht» zum Anlass, das Thema Depression auf tragikomische Weise auszuleuchten. Das ist mit einigen Slapstick-Momenten und gelungenen Metaphern zuweilen sehr komisch, manchmal aber auch bemüht lustig. Die Pointendichte ist bei Ronja von Rönne, die mit ihren provokativen Kolumnen bekannt wurde, hoch. Das Thema jedoch bleibt so oft an der Oberfläche, ihre am Leben leidenden Figuren wirken schablonenhaft, auch wenn ­die Autorin deren Gefühlslage selbst kennt: Über ihre eigenen Depressionen und Panikattacken äussert sie sich dezidiert auf ihren Social-­Media-­Kanä­len und in Interviews und verschafft der Krankheit damit Gehör in der Öffentlichkeit. Im durchaus packenden Roman allerdings wünschte man sich eine feiner gezeichnete, vertieftere Aus­einandersetzung.

Ronja von Rönne 
Ende in Sicht
256 Seiten
(dtv 2022)