«Jetzt sitzt du in der Falle!» Dieser furchtsame Gedanke schiesst Arthur Dold durch den Kopf, als er im Park des herrschaftlich-­düsteren Landhauses von Chris­tian Aplanalp im irischen County Donegal ankommt. Der alte Schulfreund hatte ihn zu seinem ­60. Geburtstag eingeladen. Es stellt sich heraus, dass Arthur der einzige Gast ist – den Hausherrn bekommt er anfangs gar nicht zu Gesicht. Und das ist nur der Beginn einer Reihe von mysteriösen Ereignissen, die Arthur zehn Jahre später im Rückblick erzählt. Nicht ohne zu betonen: «Ich darf jedoch mit Fug und Recht behaupten, Herr meiner Sinne und nicht etwa verrückt zu sein.» Arthur, der Handel mit Landkarten betreibt, ist ein Vernunftmensch durch und durch – an Übersinnli­ches glaubt er in seiner kartografierbaren Welt nicht. Die vergangenen Ereignisse haben ihn «bis in sein Innerstes erschüttert», da er sie sich auch im Rückblick nicht erklären kann.

Mehr sei nicht verraten von dieser prächtigen Gespenstergeschichte, die der Schweizer Autor Hansjörg Schertenleib zwar in der Gegenwart ansiedelt, aber im Stil des Schauerromans aus dem 19. Jahrhundert erzählt – und damit Edgar Allan Poe oder H.P. Lovecraft anklingen lässt. Lustvoll und wortgewandt spielt er mit den bekannten Schauerelementen, mit Vorboten des Grauens, um das mysteriöse Geschehen dann in einer einzigen, Ab­sinth-getränkten Nacht auf den Höhepunkt zu treiben. Mit dem schmalen Bändchen «Die grüne Fee» hat Schertenleib, der in seinem Werk immer wieder andere Genres ausprobiert, mit sichtlicher Lust am Unheimlichen eine schöne Gespenstergeschichte geschrieben, die sich zwischen schillerndem Traum und Realität bewegt.

Buch
Hansjörg Schertenleib 
Die grüne Fee
128 Seiten
(Kampa 2022)