Die Tonalität gibt Jack London gleich auf den ersten Seiten des Buchs «Menschen der Tiefe» an. Er findet niemanden in der englischen Metropole, der ihn in den spätviktorianischen Slum fahren will, denn alle haben Angst. Also geht er ins Reisebüro von «Herrn O. Cook», um eine Art Ferienreise zu buchen. Das erweist sich als unmöglich, wie  Jack London konstatiert: «Die hätten mich höchstens mit Leichtigkeit nach dem dunkelsten Afrika und ins innerste Tibet schicken können.» Mit andern Worten: Das East End liegt damals für das Londoner Bürgertum auf einem andern Planeten.
Der Sozialist London will sich im East End undercover ein Bild der sozialen Lage machen. Er schreibt eine Anklageschrift gegen das soziale Elend: «Zuweilen sieht man, dass eine Frau, nicht gerade alt, aber gebeugt, aufgedunsen und vertrunken, ihre schmutzigen Röcke hebt und ein paar lächerlich plumpe Tanzschritte auf dem Bürgersteig macht.» Das deute darauf hin, dass sie als Mädchen zur Musik eines Leierkastenmannes tanzen musste, um etwas Geld zu verdienen.
Jack London verfällt keiner Larmoyanz, er bleibt nüchtern: «In London stirbt alljährlich jedes vierte Individuum auf öffentliche Kosten, entweder im Armenhaus oder im Hospital oder in der Irrenanstalt.» Die Sichtweise eines Aussenstehenden ist überzeugend distanziert, mitunter sogar ironisch. Auch wenn immer wieder die Arroganz des US-Amerikaners gegenüber der alten Welt aufblitzt.

[Buch]
Jack London
«Menschen ­
der Tiefe»
270 Seiten – Reprint der deutschen Erst­-aus­gabe von 1928
Neu aufgelegt beim Reprint Verlag.
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