Als 20-Jähriger hätte Pipo Kofmehl nie gedacht, dass es die Kulturfabrik so lange geben würde: «Sie ist aus einem Bedürfnis entstanden. Denn in den 90er-Jahren gab es nur Beizen in Solothurn, keine Discos oder Konzerträume.» Deshalb war er fasziniert, als er auf einer Städtereise in London eine Eventbroschüre mit zahlreichen Angeboten entdeckte. «Genau das wollten wir in unserer Stadt auch.» Kurz nach der Reise begann er, mit seinen Kollegen erste Partys und Konzerte zu organisieren. Dass die Kulturfabrik entstand, freute den Krokus-Hardrocker Chris von Rohr aus Solothurn: «Jede Stadt braucht ein solches Konzertlokal. Das Kofmehl hätten wir schon in den 70ern benötigt. Es war längst überfällig.»
Ein Lebenswerk
23 Jahre sind seit der Gründung vergangen. Der Kopf des Lokals ist noch immer der kreative Idealist Kofmehl, der alles für sein Lebenswerk gibt: «Der Groove lässt mich nicht los.» Heute wie damals. Um sich hauptberuflich auf das Lokal zu konzentrieren, kündigte Pipo Kofmehl seinen KV-Job. Damit stiess er auf Unverständnis: «Ob ich doof sei, haben mich viele gefragt und gesagt, ich müsse doch etwas Normales machen.» Gezweifelt an Pipo Kofmehls Entscheid haben viele Leute auch, weil das Lokal damals einen schlechten Ruf hatte. «Es war schwierig, diesen Shitstorm durchzustehen. Denn allgemein hiess es, die Leute im Kofmehl konsumierten Drogen, seien ständig bekifft und gewalttätig.»
Grosse Bedenken über das Weiterbestehen des Lokals wurden bei der Kündigung des Mietvertrages laut, obwohl diese absehbar gewesen war. Das ehemalige Fabrikareal war wegen der geplanten Westumfahrung wirtschaftlich interessant geworden. Dass die Kulturfabrik Pipo Kofmehls Nachnamen trägt, ist übrigens purer Zufall. Am ersten Standort befand sich früher die Otto Kofmehl Metallwaren AG.
Teil der Gesellschaft
Die Suche nach einer neuen Bleibe sowie deren Finanzierung entpuppten sich als Zangengeburt: «Keine Ahnung, wie wir das alles geschafft haben. Das war abartig», stellt Pipo Kofmehl heute fest. «Wir waren damals eine riesige Truppe, die sich gegenseitig unterstützte, wo es nur möglich war.» Weil vom Zeitungsleser bis zum Regierungsrat alle von der Kulturfabrik überzeugt waren, sei der Neubau Realität geworden.
«Die Kulturfabrik hat sich vom Rand zu einem Teil der Gesellschaft entwickelt», sagt der langjährige ehrenamtliche Helfer Patrick von Däniken. 2003 wurde das Lokal mit dem Anerkennungspreis für Kulturvermittlung des Kantons Solothurn ausgezeichnet.
Florierender Betrieb
Früher organisierte Pipo Kofmehl die Auftritte der Bands, arbeitete an der Bar, an der Kasse und half beim Putzen mit. 18-Stunden-Tage seien damals nichts Aussergewöhnliches gewesen. Heute sind alle Aufgabenbereiche des Lokals auf verschiedene Leute und Gruppen verteilt – und er gehört als Geschäftsführer zu den sechs bezahlten Festangestellten.
Mit den Anlässen selbst hat er nur noch wenig zu tun: «Wenn du älter wirst, willst du nicht mehr bis fünf Uhr morgens vor Ort sein.» Trotzdem könnte er noch immer Tag und Nacht in der Kulturfabrik verbringen: «Hier drin spürst du sofort etwas. Nämlich, dass unglaublich viele Leute daran gearbeitet haben. Ich habe manchmal das Gefühl, hier klebt das Herzblut direkt an den Wänden.» Das scheinen auch die Künstler zu spüren. Denn es gibt berühmte Bands wie etwa Die Ärzte, die auf ihrer Europatournee lieber in der Kulturfabrik auftreten als im Hallenstadion Zürich.
Besondere Bedeutung hat das Lokal auch für die Solothurner Band Krokus. Chris von Rohr erinnert sich: «Die Kulturfabrik diente uns vor den Tourneen phasenweise als Probelokal. Sie war wie ein zweites Wohnzimmer für uns.»
Begonnen hat die Kofmehl-Crew mit sporadischen Events – mittlerweile sind es jedes Jahr 270 Kleinkunstanlässe, Tanzabende oder Konzerte, die im Schnitt 95 000 Besucher pro Saison anlocken. Dies ist möglich, weil rund 250 ehrenamtliche Helfer einen grossen Teil ihrer Freizeit investieren.
«S Köfu» wie das Konzertlokal im Solothurner Jargon heisst, kann man sich nicht mehr ohne sein Urgestein vorstellen. Der quirlige Mann mit den Korkenzieherlocken ist Teil des Inventars geworden. «Die Kulturfabrik ist meine Spielwiese. Ich fühle mich inmitten so vieler Herzblutmenschen total wohl. Aber ich lege mir keinen Plan zurecht, wie lange ich noch hier arbeiten werde. Im Sarg muss man mich sicher nicht hier raustragen.»
Dieser Artikel von Melanie Riedi ist ein Teil ihrer multimedialen Diplomarbeit, die sie für die Schweizer Journalistenschule MAZ Luzern produziert hat.
Konzerte
So, 6.3., 20.00 Jael Malli
Fr, 11.3., 20.00 Baschi (Halle)/ Sweetkiss Momma (Raumbar)
Sa, 12.3., 19.30 Luca Hänni
Sa, 12.3., 22.00 John Coffey
Fr/Sa, 18.3./19.3., 20.00 Bligg Kulturfabrik Kofmehl Solothurn
Infos: www.kofmehl.net