kulturtipp: Taktlos findet seit 1984 statt. Wie viele Male hast du an diesem Festival der Freien Musik gespielt?
Lucas Niggli: Einmal. Das war 2009 im Duo mit der Chinesin Xu Fengxia. Als Besucher aber gehörte Taktlos stets zu meinen liebsten Festivals neben Willisau und Darmstadt.
Nun wurdest du als Kurator eingeladen: Würde oder Bürde?
Eindeutig Würde – ich habe mich sehr gefreut! Zudem hatte ich viel Zeit zur Vorbereitung, und all meine Wunschbands haben zugesagt.
Natürlich hast du all deine Freunde eingeladen …
Nein! Ich will ja Neuentdeckungen präsentieren.
Aber du spielst gleich selbst – warum diese Doppelrolle?
Das ist eine Vorgabe. Die neuen Organisatoren wollen einen Musiker als Kurator einladen und ihn zugleich porträtieren, indem er selbst auftritt. Diese Doppelrolle hat mir insofern Kopfschmerzen bereitet, als gewisse Kollegen in der Szene empfindlich reagierten.
34 Mal wurde Taktlos von Fabrikjazz und namentlich Fredi Bosshard organisiert. Nun ist ein neuer Verein am Werk. Hat er dir sonst Vorgaben gemacht?
Nebst der Verpflichtung, selbst zu spielen, standen lediglich Budget, Termine und die neue Örtlichkeit fest.
Warum der Umzug von der Roten Fabrik ins Kanzleiareal?
Der Vorstand will die Taktlos-Philosophie beibehalten, das Festival aber neu gestalten (siehe ganz unten). Dazu gehört die Züglete in die Stadtmitte.
Was hast du inhaltlich verändert?
Mir ist wichtig, ein Festival der Entdeckungen zu programmieren. Einen Hybrid auch zwischen Jazz, Rock, Neuer Musik und World. Durch den wechselnden Kurator wird Taktlos künftig jedes Mal anders klingen.
Welchen Sinn macht es, wenn Musiker auch kuratieren?
Als aktiver und aufmerksamer Musiker ist man multitasking: Performer, Komponist, Pädagoge, Veranstalter. Viele Junge veranstalten heute Konzerte und Festivals – in der Jazzwerkstatt Bern oder im Gamut Kollektiv Zürich. Dass Musiker sich eigene Spielplätze schaffen müssen, hat eine lange Tradition.
Wie klingt «dein» Taktlos?
Die meisten meiner 13 Acts sind Neuentdeckungen. Als Musiker reise ich an Festivals in aller Welt, wo ich stets auf neue Bands treffe, die mich begeistern. Meine Fühler sind immer hochsensibel, und man tauscht sich aus in der Szene. So habe ich etwa die junge Geigerin Diamanda La Berge Dramm kennengelernt, den klassischen Schlagzeuger Julien Mégroz, den ich mit seinem Trio Hyper Fuzz eingeladen habe, oder den schillernden Keymaster Lukas König aus Wien. Aus diesen «Zutaten» hab ich mein «Menu surprise» kreiert.
Matana Roberts aus New York ist aber schon ein Big Name.
Na ja – Big Name …
Aber für viele keine Entdeckung mehr.
Das mag stimmen.
Hat auch sie gleich zugesagt?
Ja, denn der Brand «Taktlos» wird international beachtet. Matana kennt mich zudem als Musiker.
Kurz nach dem Festival wirst du 50. Ist die Taktlos-Einladung eine Art Geburtstagsgeschenk?
Nein! Als erster Gastkurator war ein erfahrener Musiker und Veranstalter gefragt. Ich organisiere seit Jahren Konzerte und Festivals und weiss um die Dramaturgie solcher Veranstaltungen. So macht es Sinn, dass ich mit dem Avantcore-Trio Steamboat Switzerland gleich vor dem multimedialen Ensemble Of Nomads spiele. Ebenso, dass das Groove-Quintett Skyjack zum Festivalabschluss um Mitternacht in der Volkshaus-Bar spielt.
Ein deklariertes Geburtstagsgeschenk dagegen ist deine erste Solo-CD «Alchemia Garden». Eine Pflichtübung deinem Label gegenüber oder die Kür des Solo-Perkussionisten?
Die Zeit war reif für eine Solo-CD. Immer wieder fragen mich Leute bei Solokonzerten nach einer CD. Als ich 2016 für das Zürcher Opernhaus am Komponieren war, kam mir die Idee zum Aufnahme-Setting. «Alchemia Garden» haben wir dann live in einer Villa aufgenommen, die zum Garten umgestaltet wurde.
Stehen in naher Zukunft vermehrt Solokonzerte an?
Ja. Ich fühle mich prall und habe Lust, diese Energien rauszulassen.
Warum nicht am Taktlos?
Dort geht es ums Zusammenspielen. Mit dem Trio Steamboat Switzerland, das seit über 20 Jahren besteht. Und im Ad-hoc-Trio mit Matana Roberts und Alexander Hawkins als Premiere.
Konzerte mit Lucas Niggli
Do, 15.3., 22.30 mit Steamboat Switzerland Kanzlei Club Zürich
Sa, 17.3., 21.20 mit Matana Roberts, Alexander Hawkins Kanzlei Club Zürich
Do, 29.3., 20.30 solo – CD-Taufe Central Uster ZH
Infos: www.lucasniggli.ch
CD
Lucas Niggli
Alchemia Garden
(Intakt 2018)
Lucas Niggli
Der Perkussionist ist seit gut 30 Jahren aktiv an den Schnittstellen zwischen Jazz, Improvisation, Rock und Neuer Musik. Er spielt mit Kolleginnen und Kollegen aus Europa, Afrika, den USA und Asien und tourt in aller Welt. Lucas Niggli wurde 1968 im Kamerun geboren und ist dort aufgewachsen. Seit 1974 lebt er in der Schweiz.