Der britische Regisseur Grant Gee präsentiert «eine filmische Lektüre» des 2008 erschienenen Romans «Das Museum der Unschuld». Darin erzählt der türkische Autor Orhan Pamuk die tragische, heimliche Liebesgeschichte von Kemal, dem begüterten älteren Cousin, und der jüngeren Füsun. Kemal heiratet eine andere, danach vermählt sich auch Füsun. Der Ex-Geliebte trifft sie in den folgenden Jahren immer wieder – es sind «besessene Jahre» mit 1500 Besuchen. Nach dem Tod von Füsun richtet Kemal zur Erinnerung an die grosse Liebe und an ihre gemeinsame Geschichte in Istanbul das Museum ein.

Es enthält alle Dinge, die Füsun einmal berührt hatte, Kleidungs- und Schmuckstücke, Briefe, Fotos, Zeitungsartikel und Abfall – darunter 4213 Zigarettenstummel mit Füsuns Lippenstiftspuren. Das ist die fiktive Ebene des Buchs. Auf der realen Ebene hat Pamuk das Museum aus dem Roman Wirklichkeit werden lassen. Möglich machten es ihm die Mittel, die ihm nach dem Literaturnobelpreis zur Verfügung standen. Das Museum in Istanbul wurde 2012 eröffnet.

Anregende Reflexion

Der Film verschränkt ein künstlerisches Werk und das wirkliche Leben: Die fiktive Geschichte, gelesen in Auszügen, wechselt sich ab mit Szenen aus dem heutigen Museum und mit einem schönen Stück aus der Realität des aktuellen Istanbul. In der Nacht ist die Stadt am schönsten. Da sind sich alle einig: der Taxifahrer, der Müllsammler, der Matrose auf dem Bosporus sowie die Schauspielerin. Orhan Pamuk, der am Skript mitgeschrieben hat, erscheint selber auf der Leinwand; wiederholt sieht man ihn am Fernsehen über seinen Roman sprechen.

Wer das Buch kennt, begegnet im Essayfilm einer anregenden Reflexion über Literatur und Wirklichkeit. Die anderen dürften inspiriert werden zu dessen Lektüre. Und wer weiss, manche könnten sich dank des Films für eine Istanbul-Reise inklusive Museumsbesuch erwärmen.    

The Innocence Of Memories
Regie: Grant Gee
Ab Do, 11.8., im Kino
Homepage Museum: http://en.masumiyetmuzesi.org