Nach den Monstern im vorherigen Gedichtband nun die Krankheiten: Die Poetin Nora Gomringer lehrt die Leser das Fürchten. Das Gedicht «Plumbum» etwa beschäftigt sich mit dem «schwarzen Hund», dem «Kleid aus Blei», der «Nacht im Gefieder» – kurz, mit der Depression, aus der nur die Droge hilft. Im Gedicht «Showtreppenebola» skizziert sie auf wenigen Zeilen die «neuen Seuchen der Menschheit», das gegenseitige Misstrauen und das Grauen vor der letzten Stunde. Oft schwingt in ihren Gedichten ein ironischer Unterton mit. «Eingedenk der Hl. Apollonia» (Bild) etwa handelt vom schmerzhaften Zahnarzt-Besuch. Die Heilige Apollonia ist die Schutzheilige der Zahnärzte und soll Gebete bei Zahnschmerzen erhören. Die Lyrikerin knüpft an den Löcher bohrenden Zahnarzt allerdings ihre eigenen Assoziationen.

Ihre bissigen Seitenhiebe und sprachlichen Höhenflüge, die auf der CD gut zur Geltung kommen, sind ein Lesegenuss. Reimar Limmer liefert mit seinen gelungenen Illustrationen eine satirische Ergänzung.

Nora Gomringer
«Morbus»
Mit Illu­strationen von Reimar Limmer
64 Seiten + 1 CD
(Voland & Quist 2015).