In der Erinnerung sprüht sie vor Lebenslust, beim Erzählen über die Gegenwart schwingt stets die Wehmut mit. Die 1935 geborene New Yorker Autorin Dorothy Gallagher wendet sich in ihrem kürzlich erschienenen Band an ihren 2010 verstorbenen Mann, den Publizisten Ben Sonnenberg: «Und was ich dir noch erzählen wollte» heisst denn auch der Titel des schmalen Buchs, in dem die Autorin assoziativ ihr Leben und ihre grosse Liebe Revue passieren lässt.

Sie führt in die 70er und 80er zurück, als New York noch ein brodelnder Künstlerkessel war und es an bezahl­baren Lofts und spannenden Jobs nicht mangelte. Die Leichtigkeit von Dorothys jun­-gen Jahren ist spürbar – im Zentrum stehen Liebesaffären, Partys, das Fotografieren und das Schreiben. Anfang der 80er trifft sie auf den Dandy Ben, die beiden haben insgesamt vier gescheiterte Ehen hinter sich und wagen nochmals ein neues Glück. Dorothy packt ihre Schreibmaschine und zieht kurz nach dem Kennenlernen zu Ben nach Uptown New York. Die beiden werden die nächsten 30 Jahre zusammen verbringen. «Lange genug, um mitanzusehen, wie du mager wurdest wie Christus am Kreuz (...), hundemüde von der harten Arbeit, einfach nur am Leben zu bleiben.» Denn Ben erkrankt an Multipler ­Sklerose, am Schluss kann er sich kaum mehr bewegen, bleibt aber wach im Geist. Dorothy ist seine treue Gefährtin bis zu seinem Tod.

Ihre Geschichte erzählt sie ohne Sentimentalität, berührt mit den Erinnerungen an ­ihren Geliebten, mit leisem Humor, der auch in der Tragik mitschwingt. Und mit ihren Gedanken zur Gegenwart, die durch den Tod vieler Weggefährten einsam geworden ist. «Und was ich dir noch er­zählen wollte» ist eines von fünf Büchern über spannende Frauenleben, die im neu gegründeten Aki-Verlag erschienen sind. Ein kleines Bijou – inhaltlich und gestalterisch.

Buch
Dorothy Gallagher 
Und was ich dir noch erzählen wollte
128 Seiten
(aki 2021)