Zorn in allen Schattierungen: Mit diesem Thema startet das Theater Neumarkt in die Saison. In Wajdi Mouawads Stück «Himmel», eine von mehreren Produktionen innerhalb der «Zorn»-Reihe, entlädt sich die geballte Wut der Jugend.

Im Zentrum steht eine Geheimdienstorganisation in Mitteleuropa, die versucht, Botschaften von Terroristen zu entschlüsseln. Als sich einer ihrer Agenten umbringt, gerät ihre Ordnung aus den Fugen. Der Tote hat einen Rechner mit verschlüsselten Codes hinterlassen, den es zu knacken gilt, um einer radikalen Gruppierung auf die Schliche zu kommen. Die Spuren weisen weg von islamistischem Terror in die ­eigenen Reihen – auf junge Erwachsene, die an keine europäischen Werte mehr glauben und zu blutigen Mitteln greifen. Ausgerechnet Kunst und Poesie spielen im Grauen eine entscheidende Rolle: Die jungen Terroristen nutzen Gedichte und ein Gemälde des Renaissance-Malers Tintoretto für ihre verschlüsselten Botschaften. «Jede Epoche verdient ein Kunstschönes, das der Hässlichkeit entspricht, die sie geschaffen hat», wird es am überraschenden Ende heissen.

Die Inszenierung setzt auf die Kraft des Wortes

«Himmel» ist der letzte und düsterste Teil des vierteiligen Zyklus «Das Blut der Versprechen» des im Libanon aufgewachsenen kanadischen Autors Wajdi Mouawad. In seinem 2009 entstandenen Stück nimmt er gesellschaftliche Entwicklungen voraus: Mit Thriller-Elementen sowie ab und an reichlich Pathos entwirft er ein Bild des Schreckens. Die Basler Regisseurin Simone Blattner nimmt sich im Theater Neumarkt der Schweizer Erstaufführung an. «Wir wollen nicht nur die Angst und Hysterie sowie den Druck zeigen, unter dem die Agenten stehen, sondern auch die fatalistische Haltung, die nach Anschlagsserien unter den Menschen aufkommt.» Am Stück habe sie die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen «Wahrheiten» interessiert. «Dass eine Gruppe auf einer poetischen Basis einen Terroranschlag vorbereitet, scheint anfangs für viele unvorstellbar. Denn wenn sich Poesie mit Zerstörung mischt, verlieren wir alles, was uns als menschliche Wesen ausmacht.»

In ihrer Inszenierung setzt sie auf die Kraft des Wortes und der fünf Schauspieler. Die Bühne kommt ohne Video-Projektionen oder Terror-Bilder aus. Die Geheimdienstzentrale und ihre Mission entstehen in den Köpfen der Zuschauer. Im Zentrum steht die aufbegehrende Jugend – und die Erwachsenen, die gesellschaftliche Auswüchse zu verantworten haben.

Himmel
Premiere: So, 25.9., 20.00 Theater Neumarkt Zürich