Beharrlich und in sich wiederholenden Passagen umkreist Schriftsteller Arno Camenisch in seinem Roman «Der Schatten über dem Dorf» das Unglück, das 1976 – eineinhalb Jahre vor seiner Geburt – in seinem Heimatort Tavanasa in der Surselva geschah. Damals sind drei Kinder auf der Wiese «Plaun Vitg» bei einem Brand ums Leben gekommen. Noch heute finden die Bewohner keine Worte für diese Tragödie, die sich in ihre Seelen gebrannt hat – sie bleibt ein «Schatten über dem Dorf». Arno Camenisch nähert sich nun behutsam dieser Katastrophe, versucht, Worte zu finden für das Unfassbare.

Seine mittlerweile in über 20 Sprachen übersetzten Bücher, die international auf Anklang stossen, spielen stets in seiner Bündner Heimat, verhandeln aber universelle Themen – Leben, Liebe, Verlust und Tod. Figuren und Ort sind auch diesmal unverkennbar, vom ureigenen Camenisch-Sound weicht der Autor allerdings ab: Er verzichtet fast gänzlich auf ­dialektale Einsprengsel – und kommt ohne «Coffertori» oder «kasch tenka» aus. Und auch seine Mischung aus Schalk und Melancholie weicht einer neuen Dringlichkeit. Mit dem neuen Buch hat er einen weiteren Schritt gewagt und gibt auch viel von sich selbst preis, berührt mit eigenen Verlusterfahrungen. «Der Erzähler im Buch, das bin diesmal ich», sagt er im Interview mit der «Südostschweiz». «Ich bin der Meinung, dass ich etwas von mir teilen muss, wenn ich von einer solchen Tragödie wie dem Tod der drei Buben erzähle.»

Arno Camenisch
Der Schatten über dem Dorf
104 Seiten
(Engeler 2021)