Was macht einer, dem ein Kind zugelaufen ist? Ein kleines Mädchen, das ihn Papa nennt und in ihm einen liebevollen Vater findet? Diese Frage stellt Monika Helfer ins Zentrum ihres neuen Romans. Dieser «einer» war ihr Bruder Richard, den sein eigener Vater «Löwenherz» nannte – nach dem verklärten englischen König, der die Literatur und die Malerei geliebt haben soll. Auch Richard Helfer war ein Maler, wenn auch ein «naiver» und nebenamtlicher. Vor allem aber lebte Richard in einer eigenen Welt: «Er wurde zu einer Figur in den Geschichten, die er sich permanent ausdachte.»

Eine Figur wie gemacht für ­einen Roman, mit dem Monika Helfer (74) nun ihre Vorarlberger Trilogie beschliesst – nach Büchern über ihre Grossmutter und ihre Mutter sowie ihren Vater und ihre eigene Kindheit. Diese Literarisierung ihrer Biografie flicht Helfer in ihre Texte ein. «Wer bin ich, der ich so etwas schreibe?», fragt sie sich beim Schreiben. Oder über ihren Bruder Richard: «Vielleicht vermerkwürdige ich ihn.» Helfer aber ist eine Meisterin darin, Biografisches ins Fiktive weiterzudenken. So spekuliert sie, was der schweigsame oder sich kryptisch äussernde Richard fühlen mag gegenüber dem Kind, das er Putzi nennt. Und gegenüber dem ihm ebenfalls zugelaufenen Hund Schamasch. Sie tut dies auf packende, einnehmende und ungemein bildhafte Weise.

Lesungen
Do, 31.3., 19.30 Union Commerciale Neuchâtel
Fr, 1.4., 20.15 Odeon Brugg AG

Buch
Monika Helfer 
Löwenherz
191 Seiten
(Hanser 2022)