kulturtipp: Wo treffen sich Kunst und Politik in Ihrer Arbeit?
Akram Zaatari: Mich interessiert politische Propaganda nicht, darum will ich keinen direkten Effekt erzielen. Das ist Aktivismus, mit dem ich nichts zu tun haben will. Ich habe meine politischen Überzeugungen, aber diese will ich nicht verbreiten.
Besucher können jedoch zu dieser Auffassung gelangen, wenn Sie israelische Militärjets und zerbombte Häuser im Libanon zeigen.
Das glaube ich nicht. Ich zeige nur historische Zusammenhänge dokumentarisch auf, so wie ich sie sehe. Ich verfolge einzig einen humanistischen Ansatz. Das ist der richtige Weg, dem Krieg zu begegnen. Das wird in meinem Video «Letter to a Refusing pilot» deutlich, in dem sich ein israelischer Pilot weigert, eine Schule zu bombardieren. Ein einzelner kann keinen militärischen Konflikt verhindern, aber er kann sich zwischen der Menschlichkeit und der Kriegsmaschine entscheiden.
Sie sehen sich als Archäologe, der nach dokumentarischem Material sucht.
Ja, genau. Ich bin neugierig und habe mich deshalb für die Feldarbeit entschieden. Archäologie leistet zwei Dinge: Man entdeckt ein dokumentarisches Objekt und gewinnt neue Erkenntnisse. Vielleicht hat der Forscher eine Vorstellung davon, was er finden könnte. Aber er wird sich immer wieder überraschen lassen, wie beim Fischen. Es zappelt was an der Angel, aber man kennt den Fisch vorerst nicht.
Sie wissen doch als politisch denkender Mensch, was Sie suchen.
Ich schaue nur in eine gewisse Richtung und spekuliere, was ich finden könnte. Wie in der Archäologie – man sucht menschliche Spuren, findet aber tierische. Ich erlebe laufend Überraschungen.
Sie konzentrieren sich auf den Nahen Osten, auch andernorts kommt es zu Kriegen und Ungerechtigkeit.
Ich bin kein Kriegsspezialist, auch wenn die Zürcher Ausstellung nun diesen Eindruck erweckt. Ich habe viel fotografisches Material aus friedlicheren Zeiten im Nahen Osten zusammengetragen. Doch die israelische Invasion 1982 im Libanon war ein prägendes Erlebnis für mich.
Sie lebten damals als Teenager bei den Eltern – verstanden Sie damals, was passierte?
Nein, aber genau deshalb ist eine solche Zeit besonders prägend. Man lebt mitten in diesem Chaos und sucht eine Orientierung. Bei mir entstand das Bedürfnis, alle Geschehnisse möglichst umfassend zu dokumentieren.
Sie zeigen Ihr filmisches Material in einem Land, das schon lange keinen Krieg mehr gesehen hat. Glauben Sie, dass die Leute hier anders darauf reagieren als im Libanon?
Ja, bestimmt. Man sieht diese Videos anders, wenn man den Krieg erlebt hat. Aber ich versuche, verschiedene Perspektiven reinzubringen. So können Libanesen nicht verstehen, welchen Mut der israelische Pilot aufbringen musste, als er sich einem Befehl widersetzte. Das macht die Kunst aus: Jeder Mensch reagiert subjektiv darauf.
Waren Sie in Beirut schon politischen Bedrohungen ausgesetzt?
Nein, bisher nicht. Darunter leiden eher Journalisten, Künstler haben im Libanon eine gewisse Freiheit. Ich gehöre nicht zur Prominenz, nur ein kleiner Kreis kennt meine Kunst, mit dem Nachteil, dass ich grosse Teile der Bevölkerung nicht erreiche. Aber ich vermeide es, religiöse Gefühle zu verletzen; viele meiner Arbeiten allerdings haben eine sexuelle Dimension, die im Libanon eher Anstoss erregen könnte als hier.
Akram Zaatari. This Day at Ten
Bis, So, 31.7. Kunsthaus Zürich