«Ich habe mich oft im Kino gelangweilt, aber nie an einer Bushaltestelle.» So ist die im Engadin lebende deutsche Autorin Angelika Overath zur Reportage gekommen, wie sie im neuen Sammelband schreibt. Im Unspek­takulären entdeckt sie beim genauen Hinschauen die Feinheiten, die sie in ihren Texten auslotet. Die eintönige Arbeit der Zimmermädchen in ­einem Hotel fängt sie in ihrer Reportage mit dem Rhythmus der Sprache auf; einen ukrainischen Markt beschreibt sie so, dass das sinnliche Erleben aus den Zeilen spürbar wird. Und auch feine Ironie scheint in ihren Texten durch, etwa in einer Erzählung über das Leben der Nonnen im Kloster Marienwerder. Die Poesie ist Overaths ständige Begleiterin, sowohl in ihren Romanen als auch in ihren Reportagen und Essays.

Mit «Fegefeuer», «Handwerk», «Fluten», «Fluchten», «Coda» sind die einzelnen Kapitel überschrieben. Dahinter verbergen sich Kindheitserinnerungen, Reisereportagen, Schreiberfahrungen, Porträts und Liedinterpretationen, welche sie bereits in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht hat. In der konzentrierten Form des Sammelbands ergibt sich ein persönlicher Einblick in das Leben und die Schreibwerkstatt der 55-Jährigen. «Ich durfte eine Geschichte suchen und musste keine eigene haben.» Auch das macht für Overath, «Tochter einer Flüchtlingsmutter», den Reiz der Reportage aus. Durch die Sprache geht sie dem Erlebten tief auf den Grund: «Und wenn es gelang (was jedes Mal unsicher blieb), kam schreibend in konturierten Nuancen der ungekannte Alltag zurück, eine wilde Beute, die das Hiersein bewies.»


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Angelika Overath
«Fliessendes Land»
192 Seiten 
(Luchterhand 2012).
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