Sizilien, 1959: Ninetto ist neun Jahre alt, als er von daheim wegzieht. Fort von seinem prügelnden Vater, von Armut, Hunger und aufreibender Feldarbeit. Wissbegierig und mit Hoffnung im Herzen zieht es ihn nach Mailand. Die Industrie-Metropole boomt in den 50ern und 60ern und ist Ziel von Auswanderern aus allen Gegenden Italiens. Auch der kleine Ninetto, der sich ganz alleine durchschlagen muss, angelt sich einen Botenjob, ein paar Jahre später gar eine Stelle in der Fabrik und ein Mädchen, die schöne Maddalena. 

Diese Geschichte berichtet Ninetto als 57-Jähriger im Rückblick – nach vielen Jahren im Gefängnis. Warum er dort gelandet ist und seine einzige Tochter nicht mehr mit ihm spricht, erfährt der Leser erst am Ende. Nach seiner Entlassung zeigt ihm Mailand ein anderes Gesicht: Der Wirtschaftsboom ist vorbei, anstatt der italienischen hoffen nun die nordafrikanischen Auswanderer auf das grosse Glück. Ninetto muss sich nach den Jahren hinter Gittern wieder an die Freiheit gewöhnen und an seine Frau Maddalena, die er aufrichtig liebt und die ihm dennoch fremd geworden ist. 

Autor Marco Balzano, Sohn von Einwanderern aus Süditalien, erzählt diese Geschichte in einer einfachen Sprache. «Ich suchte nach einem Ton, in dem sich die Kindheit auf der Strasse spiegelte, das Leben on the road dieser Jungs», sagte Balzano in einem Interview. Für die Roman-Recherche hat er mit Männern geredet, die als Kinder aus Süditalien ausgewandert sind und 40 Jahre  Fliessbandarbeit verrichteten. Er fängt ihre Stimmen ein und berichtet mit Humor und Feingefühl von ihren Erwartungen – und der Ernüchterung. 

Marco Balzano
«Das Leben wartet nicht» 
Aus dem Italienischen von Maja Pflug, 304 Seiten
(Diogenes 2017).